Atommüll-Transport nach Gorleben:Castor-Zug rollt weiter - Autonome greifen Polizei an

Der Castor-Transport rollt weiter - doch Atomkraft-Gegner zwingen den Zug immer wieder zu Zwischenstopps. Die Polizei spricht von "exzessiver Gewaltbereitschaft" unter den Demonstranten, während Grünen-Chefin Roth den Einsatz der Polizei als "Anschlag auf die Demokratie" bezeichnet. 1000 Aktivisten sollen nun zu einer Sitzblockade am Zielort Gorleben zusammenkommen.

Der Konflikt zwischen Castor-Gegnern und der Polizei wird gewalttätiger: Im Wendland, nahe des Bahnhofs Leitstade, haben sich vermummte Gruppen einem Augenzeugen zufolge einen Kampf mit den Einsatzkräften geliefert. Polizisten seien mit Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen worden, Wurfgeschosse seien auch auf eine Reiterstaffel geflogen. Es herrsche eine "diffuse Lage", sagte ein Polizeisprecher. Ein Journalist am Ort berichtete von gefährlichen Situationen: Die Polizei soll Wasserwerfer in dem Waldgebiet postiert haben.

Castor-Transport

Vermummte greifen bei Leitstade (Kreis Lüchow-Dannenberg) Polizeibeamten mit Feuerwerkskörpern und Steinen an.

(Foto: dpa)

Die ganze Nacht hatten Schienen- und Straßenblockaden von Castor-Gegnern die Polizei beschäftigt. Abseits der Bahngleise errichteten die Aktivisten zahlreiche Straßenbarrikaden: Die Polizei musste Bäume, Reifen, Sand und Kartoffelkisten von den Straßen räumen. Am Sonntagmittag hatte sich der Atommüll-Transport südlich von Hamburg wieder in Bewegung gesetzt - nach einem mehr als 18-stündigen Halt.

Der Zug fährt nun weiter Richtung Dannenberg, wo die elf Behälter mit hoch radioaktiver Ladung für die letzten Kilometer auf der Straße auf Tieflader umgeladen werden müssen. Am Nachmittag musste der Transport vor einer Blockade bei Vastorf abermals eine Zwangspause einlegen, bevor er weiterfahren konnte. Am frühen Abend kam der Zug dann am Bahnhof Dahlenburg mehrere Kilometer vor massiven Gleisblockaden zum Stehen. An dem Bahnhof sollen Polizeiwagen mit Scheinwerfern aufgestellt und Stacheldraht ausgelegt worden sein.

"Anschlag auf die Demokratie"

Der Lüneburger Polizeipräsident Friedrich Niehörster beklagte die zunehmende Gewaltbereitschaft bei den Protesten. Laut Welt am Sonntag berichtete der für den Transport verantwortliche Niehörster einer Gruppe niedersächsischer Landtagsabgeordneter, dass Polizisten zum Beispiel mit Golfbällen beworfen worden seien, die zuvor mit Nägeln präpariert worden waren. In einem Waldstück nahe Metzingen an der Straßentransportstrecke sei eine Polizistin, die sich allein in einem Einsatzwagen befand, mit Molotowcocktails bedroht worden.

Niehörster berichtete auch von Brandanschlägen auf Kabelschächte der Bahn und von angesägten Bäumen, die auf Polizeiautos gestürzt werden sollten. Insgesamt gebe es in Teilen der Protestszene eine "exzessive Gewaltbereitschaft", zitierte die Zeitung Niehörster weiter. Dafür ließen sich "offenbar immer mehr Menschen gewinnen".

Grünen-Chefin Claudia Roth warf dagegen der Polizei ein "absolut überzogenes" Vorgehen vor. Der Einsatz sei "ein Anschlag auf die Demokratie", sagte sie auf dem Bundesparteitag der Grünen in Kiel. Ausdrücklich rechtfertigte sie auch die Blockaden der Castor-Gegner. "Es geht für mich um das Demonstrationsrecht und da gehört die Blockade dazu." Die Gewerkschaft der Polizei erwiderte, das Verhalten der Beamten sei "tadellos". Sie dürften und müssten notfalls körperliche Gewalt anwenden und von ihren polizeilichen Einsatzmitteln Gebrauch machen.

Aktivisten kritisieren Reiterstaffel der Polizei

Atomkraftgegner haben scharfe Kritik an einem Einsatz von berittener Polizei bei den Demonstrationen geübt. Laut einer Mitteilung der Initiative "Castor schottern" zeigten Videoaufnahmen, wie ein Polizist im Wendland in eine Gruppe von Demonstranten reitet. Dabei wird eine am Boden liegende Person augenscheinlich von Pferdehufen getroffen. Ein Polizeisprecher widersprach dieser Darstellung. Pferde seien darauf trainiert, nicht auf am Boden liegende Personen zu treten. Zudem gebe es keine Berichte über Verletzte bei dem Einsatz. Die Bilder zeigten nicht, wie nahe das Pferd den Demonstranten kam.

Die Aktivisten haben damit begonnen, die Zufahrtsstraße zum Zwischenlager in Gorleben zu blockieren: Zunächst hätten sich 173 Demonstranten am Ortseingang auf den Boden gesetzt, bestätigte ein Polizeisprecher. Da die Versammlung nicht angemeldet sei, hätten die Einsatzkräfte umgehend per Lautsprecher zur Räumung der Landstraße aufgerufen. Die Atomgegner gaben sich jedoch kämpferisch. "Wir sind entschlossen, nicht freiwillig zu weichen", teilte eine Sprecherin von "X-tausendmal quer" mit. Nach Angaben der Organisatoren wollen mehr als 1000 Atomkraftgegner an der Sitzblockade teilnehmen.

Der 13. Castor-Transport wird länger unterwegs sein als je zuvor: Nach dem Start am Mittwochnachmittag in Frankreich hat er bis zum Sonntagmittag fast 93 Stunden gedauert. Im vergangenen Jahr war er nach etwa 92 Stunden Fahrt angekommen. Zudem könnte starker Wind erstmals das Umladen der Behälter von der Schiene auf Lastwagen verzögern.

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