Atommüll:Operation Flatterband

Atommüll

Ein von Bürgern bemaltes Fass am Atomendlager Schacht Konrad.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Eine Stiftung des Bundes soll die Entsorgung des deutschen Atommülls übernehmen. Jetzt ist dieser Plan in Gefahr. In Regierungskreisen gibt man sich dennoch gelassen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Zuständigkeiten rund um den Müll sind normalerweise klar geregelt. Wer zum Beispiel seine Küchenabfälle draußen in die Mülltonne wirft, der legt die Sache in die Hände der Müllabfuhr. Umgekehrt holt die Müllabfuhr nur draußen Tonnen ab. In deutschen Küchen haben die Müllleute nichts zu suchen. Die Sache wird erst dann richtig kompliziert, wenn es nicht um Küchenabfälle geht, sondern um Atommüll. Mit ihrem Atommüll wollen die deutschen Kernkraftbetreiber tunlichst nichts mehr zu tun haben, jedenfalls nicht mit den langfristigen Verpflichtungen daraus. So schwierig ist die Entsorgung, dass sie so manchen Konzern nicht nur finanziell überfordern, sondern ihn auch überdauern könnte.

Eine Regierungskommission wurde vor knapp einem Jahr eingesetzt; sie sollte regeln, unter welchen Bedingungen der nukleare Privatmüll zu nuklearem öffentlichen Müll werden kann. Vor allem regelte sie die Müllgebühr: Wenn die Unternehmen in eine entsprechende Stiftung des Bundes 25,5 Milliarden Euro einzahlen, übernimmt der Bund die Entsorgung des Atommülls: vom strahlenden Schutt abgerissener AKWs bis hin zu deren Brennelementen. Fragt sich nur, wann genau die private zur öffentlichen Aufgabe wird.

Im April schloss die Kommission ihre Arbeit ab, im August sollten die zugehörigen Gesetzesänderungen eigentlich das Kabinett passieren. Doch fünf Monate später gibt es immer noch Streit.

Wann wer den Müll übernimmt, ist alles andere als trivial, es geht um viel Geld. Den Konzernen schwebt eine "Flatterband-Lösung" vor. Auf Gehwegen sperrt so ein rot-weißes Band Baustellen ab, in den Zwischenlagern bei den Atomkraftwerken sollte es, rein virtuell, privaten vom staatlichen Müll trennen. Sobald Atommüll verpackt ist, soll er in die Obhut der Stiftung gehen. Aber wie sieht eine ordentliche Verpackung aus? Nach Plänen der Kommission soll der Müll so verpackt und behandelt sein, dass er später ohne weiteres in Atommüll-Endlager kann. Diese kostspielige "Konditionierung" würden die Unternehmen gern abwälzen.

Auch innerhalb der Bundesregierung gibt es unterschiedliche Auffassungen. Mitte Oktober sollen nun das nächste Mal die Staatssekretäre zusammentreten, um den Streit zu lösen. Zu spät, finden die drei Vorsitzenden der Kommission, Ole von Beust (CDU), Matthias Platzeck (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne). Am Dienstag wandten sie sich mit einem Brandbrief an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Der Termin Mitte Oktober erfülle sie mit Sorge, schreiben die drei darin. "Damit kommen alle einmal aufgestellten Zeitpläne ins Rutschen." Die "akute Gefahr" bestehe, dass sich die gesamte Gesetzgebung ins nächste Jahr hinzieht. Dann nahen "politische Risiken": der Wahlkampf im Bund.

Die Verzögerung wäre auch für die Konzerne unschön. Die 25,5 Milliarden Euro Müllgebühr sind für den Fall berechnet, dass die öffentlich-rechtliche Stiftung noch 2016 entstehen kann. "Wird das Jahresende nicht erreicht, drohen neue Berechnungen", heißt es im Brief. Konkret: Dann werden noch einmal Zinsen fällig, knapp 4,6 Prozent. Aus 25,5 werden dann knapp 26,7 Milliarden Euro. Das schmerzt, schafft aber auch Leidensdruck.

In Regierungskreisen glaubt man deshalb immer noch an eine rasche Lösung des Problems. Noch im Oktober könne das Kabinett das Gesetz absegnen - wenn alles gut läuft. "Der Brief kam zur rechten Zeit", heißt es in den Kreisen - fieberhaft werde nun verhandelt. Das allerdings ist auch nötig, denn neben dem Gesetz pochen die Konzerne auch auf vertragliche Vereinbarungen mit dem Bund, und zwar für jede Betreiberfirma einzeln. Sie wollen ganz sichergehen, dass sie mit dem Zeug jenseits des Flatterbands nie mehr zu tun bekommen.

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