Atomkraftwerk Isar1:Mit Kunstnebel gegen Terroristen

Das Atomkraftwerk Isar1 bei Landshut soll mit einer künstlichen Nebelwand gegen Angriffe von Terroristen geschützt werden. Dies erklärte Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf im Landtag.

Von Sebastian Beck

(SZ vom 29.1.2004) - Er reagierte damit auf einen SZ-Bericht über den mangelnden Schutz der Anlage vor Attacken aus der Luft. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) warf Schnappauf daraufhin Untätigkeit vor: Obwohl ihm die jetzt veröffentlichte Studie über Sicherheitsrisiken bereits seit einem Jahr vorliege, habe Schnappauf nichts ausreichendes unternommen. SPD, Grüne und ÖDP forderten die Stilllegung der Kraftwerks Isar1.

Schwere Sicherheitsmängel

Nach der vertraulichen Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) weist das unweit von Landshut gelegene Kraftwerk schwere Sicherheitsmängel auf: Bereits der gezielte Absturz eines relativ kleinen Passagierjets könnte demnach eine Katastrophe wie in Tschernobyl nach sich ziehen. Nach dem Bericht der SZ schoben sich gestern Trittin und Schnappauf gegenseitig die Verantwortung zu: Schnappauf sagte, der Bund entwickle derzeit ein "Vollschutzkonzept", das von der Flughafensicherung über die Gefahrenabwehr in der Luft bis zu den Kernkraftwerken reiche. Derzeit prüfe die GRS, mit welchen Maßnahmen deutsche Kernkraftwerke am wirkungsvollsten gegen Anschläge geschützt werden können.

Deimer für Abschaltung

"Wir erwarten, dass sich die Tarnung der Anlagen durch künstliche Vernebelung als geeignetes Mittel erweisen wird", erklärte Schnappauf. Im übrigen verfüge Isar1 über einen "soliden Grundschutz" gegen Flugzeugabstürze. Er widersprach damit der GRS-Studie, wonach der Isar1 über "keine explizite Auslegung gegen Flugzeugabsturz" verfügt.

Trittin warf Schnappauf vor, er wolle sich mit durchsichtigen Ablenkungsmanövern aus der Verantwortung stehlen. Als zuständige Atomaufsichtsbehörde müsse der Freistaat nun handeln. "Bayern muss ermitteln, ob die Anlage Schadenpotenziale aufweist und gegebenenfalls zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gegenüber den Betreibern durchsetzen." Schnappauf habe jedoch bis heute noch keine Initiativen ergriffen, obwohl ihm das Gutachten bereits seit einem Jahr vorliege.

Landshuts Oberbürgermeister Josef Deimer (CSU) forderte eine vorzeitige Abschaltung von Isar1. Er verwies darauf, dass vor einigen Jahren ein Kampfflugzeug vom Typ Mirage nur wenige Flugsekunden vom Kraftwerk entfernt abgestürzt sei. Das bayerische Umweltministerium, so Deimer, habe gegenüber den Bürgern von Landshut eine Fürsorgepflicht. Deshalb müsse die Restlaufzeit von Isar1 verkürzt werden.

Grüne: Schnappauf will Stilllegung verhindern

Die Grünen im Landtag kritisierten Schnappaufs Pläne für eine Einnebelung des Kraftwerks. Die Geheimhaltung der Sicherheitsmaßnahmen sei für den Umweltminister offenbar ein Freibrief zum Nichtstun, sagte die Abgeordnete Ruth Paulig. Schnappauf solle in einer nichtöffentlichen Sitzung darlegen, welche zusätzliche Schutzmaßnahmen gegen Terroranschläge ergriffen werden sollen, verlangte sie. Offenbar gehe es dem Minister aber vor allem darum, eine Stilllegung des Kraftwerks zu verhindern.

Der SPD-Abgeordnete Ludwig Wörner warf Schnappauf vor, die Vernebelungsstrategie helfe den Menschen besonders in Niederbayern keinen Schritt weiter. Wenn die Sicherheit von Isar1 nicht gewährleistet werden könne, müsse man über eine Abschaltung nachdenken. Hingegen verfolge die Staatsregierung den absolut falschen Weg, der auf einen weiteren Ausbau der Atomenergie ziele.

Die ÖDP verlangte gestern das sofortige Eingreifen der bayerischen Staatsregierung: "Der Ministerpräsident muss seinem Amtseid gerecht werden und diese tödliche Gefahr für uns und unsere Nachbarn abstellen", sagte der ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner.

Kritik aus Österreich

Unterdessen bahnt sich eine Konfrontation zwischen der Staatsregierung und den österreichischen Grünen an. Ihr Wiener Nationalratsabgeordneter Peter Pilz bekräftigte gestern seine Absicht, das eigentlich geheime GRS-Gutachten in München an die Bürger auszuteilen. Schnappauf drohte, er werde die Aktion unterbinden lassen. Pilz mache sich damit strafbar, sagte Schnappauf. Dagegen sprach Pilz von einer Notwehrmaßnahme, mit der er auf die für Österreich völlig inakzeptable bayerische Atompolitik aufmerksam machen wolle. "Wenn Schnappauf glaubt, das Problem polizeilich lösen zu können, dann täuscht er sich gewaltig", sagte Pilz.

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