Atomkraft:Gute und schlechte Reaktoren

Die ältesten deutschen Kernkraftwerke müssen möglicherweise binnen kurzer Zeit vom Netz. Eine Entscheidung könnte bald fallen.

Michael Bauchmüller und Susanne Höll

Die sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke müssen möglicherweise binnen fünf Jahren vom Netz. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sieht das ein Vorstoß des Bundesumweltministeriums vor, über den derzeit in der Bundesregierung verhandelt wird. Demnach sollen die Betreiber der Anlagen nur fünf Jahre Zeit erhalten, ihre Kernkraftwerke gegen gezielte Terrorangriffe aus der Luft zu schützen. Maßstab soll ein gezielter Absturz eines Airbus-Flugzeugs vom Typ A 320 sein. Die älteren deutschen Reaktoren sind für solche Kräfte nicht ausgelegt, sie müssten mit einer völlig neuen Hülle ausgerüstet werden. Eine Entscheidung könnte schon am Sonntag fallen: Dann will die Bundesregierung in einer Spitzenrunde die zentralen Fragen rund um Atomkraft klären.

Atomkraftwerk

Nach dem Gutachten zu den Energieszenarien halten sich die Vorteile von Laufzeitverlängerungen bei den Atomkraftwerken in Grenzen.

(Foto: dpa)

In den Ländern rührt sich Widerstand gegen den geplanten Terrorschutz. "Der Schutz vor Flugzeugabstürzen ist keine Frage der baulichen Nachrüstung, sondern eine Frage der Luftsicherheit", sagte Bayerns Umweltminister Markus Söder der SZ. Dies gelte etwa für die Chemieindustrie heute schon. "Die Standortländer sind grundlegend irritiert über ständig neue Vorschläge aus dem Bundesumweltministerium", sagte Söder. Ohnehin ist unter Juristen umstritten, ob der A 320 der richtige Maßstab ist - oder ob ein entsprechendes Gesetz nicht den größten Airbus-Jet, den A380 zum Maßstab nehmen müsste. Dem aber hielte kaum ein Reaktor stand.

Unterdessen zeichnet sich auch eine Obergrenze für die geplanten Laufzeit-Verlängerungen ab. Nach SZ-Informationen haben sich die für Verfassungsfragen zuständigen Ministerien für Inneres und Justiz darauf geeinigt, aus juristischen Gründen dafür höchstens ein Drittel der bisherigen Laufzeit von 32 Jahren zu empfehlen. Das bedeutet, dass die Reaktoren durchschnittlich etwa zehn Jahre länger am Netz bleiben könnten.

Nur so lässt sich nach Auffassung der Ministerien das Atomgesetz ohne Vetorecht der Länder ändern. Mehrere Bundesländer haben eine Verfassungsklage angekündigt, sollte der Bundesrat bei der Entscheidung umgangen werden. SPD, Grüne und Linkspartei könnten dort längere Laufzeiten verhindern. Merkel hatte zuvor schon deutlich gemacht, dass sie sich über das Votum der beiden Ressorts nicht hinwegsetzen würde.

Angesichts schärferer Auflagen wird damit eine differenzierte Lösung wahrscheinlicher. Zwar würde der Bund den Kernkraftwerken jeweils Strommengen für zehn weitere Jahre zuteilen. Sollten aber die sieben ältesten Meiler vorzeitig stillgelegt werden, könnte die Betreiber die Strommengen auf jüngere Anlagen übertragen - so sieht es das Atomgesetz vor. Faktisch liefe das auf deutlich größere Verlängerung für die neueren Kernkraftwerke hinaus. Sie könnten damit womöglich bis zum Jahr 2040 laufen.

Für differenzierte Laufzeiten will auch Bayern eintreten - allerdings weitaus höher. So schlägt Söder vor, die sieben ältesten Kernkraftwerke zehn Jahre, die neuen aber 15 Jahre länger laufen zu lassen. "Das dürfte ausreichen, um in der Zwischenzeit eine stabile und bezahlbare Versorgung mit Erneuerbaren Energien aufzubauen", sagte Söder. In Bayern wäre damit lediglich Isar 1 von einer vorzeitigen Abschaltung betroffen.

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