Atomkatastrophe in Japan:Zu wenig Tanks in Fukushima

Die Arbeiter in der havarierten Atomanlage Fukushima stehen vor immer neuen Problemen: Für das radioaktiv verseuchte Wasser, das sie abpumpen, sollen nicht genügend Tanks vorhanden sein.

Stark radioaktiv verstrahltes Wasser behindert weiterhin die Arbeiten in der Atom-Ruine Fukushima in Japan. Teile des Wassers werden abgepumpt, doch die Arbeiter wissen nicht, wohin mit der für Menschen hochgiftigen Flüssigkeit in den Turbinenhäusern. Es fehle an Tanks, berichtet die Nachrichtenagentur Kyodo. Das radioaktiv verstrahlte Wasser stand zeitweise bis zu einem Meter hoch in den Kellern der Turbinenhäuser von vier der sechs Reaktorblöcken.

Atomkatastrophe in Japan: Arbeiter im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi: Für das verseuchte Wasser soll es nicht genügend Speichertanks geben.

Arbeiter im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi: Für das verseuchte Wasser soll es nicht genügend Speichertanks geben.

(Foto: AFP)

Neben dem Abpumpen des verseuchten Wassers kümmern sich die Einsatzkräfte außerdem um das Wiederherstellen der Stromversorgung und die Umstellung auf elektrische Pumpen. In den vergangenen Wochen mussten sich die Techniker wegen der Zerstörung des Kühlsystems mit einer Betonpumpe und Feuerwehrpumpen behelfen.

Plutoniumfunde lösen indes neue Sorgen über das Ausmaß der größten Atomkatastrophe seit 25 Jahren aus. Nach Ansicht der Atomaufsicht deutet die Entdeckung des extrem giftigen und krebserregenden Stoffs am Boden des Reaktorkomplexes auf einen Bruch der Schutzhülle hin, auch wenn die Menge als nicht gesundheitsschädigend eingestuft wird.

In der Opposition wurde deshalb die Forderung an die Regierung von Ministerpräsident Naoto Kan laut, die Evakuierungszone rund um Fukushima auszuweiten. Damit müssten zusätzlich zu den bereits in Sicherheit gebrachten 70.000 Bewohnern weitere 130.000 Menschen ihre Wohnorte verlassen.

Japans Atomaufsicht teilte am Dienstag mit, dass Brennstäbe in drei der sechs Reaktoren beschädigt seien. Und es sei sehr wahrscheinlich, dass die Schutzhüllen nicht mehr völlig dicht hielten, hieß es weiter. Betroffen seien die Blöcke 1, 2 und 3 - mit letzterem also auch jener Reaktor, in dem Plutonium Teil des verwendeten Brennstoffmixes ist.

Zuvor hatten Funde des extrem giftigen und krebserregenden Schwermetalls im Bereich der Kraftwerksruine Ängste über das wahre Ausmaß der bereits jetzt schlimmsten Atomkatastrophe seit Tschernobyl vor einem Vierteljahrhundert geschürt.

"Kampf von vielen Wochen und Monaten"

Japans Ministerpräsident Naoto Kan hatte die Lage in der Atom-Ruine als "unvorhersehbar" bezeichnet. Die japanische Regierung erwähnt womöglich eine Verstaatlichung des Energiekonzerns Tepco. So jedenfalls wurde der Minister für die nationale Politik, Koichiro Gemba, von der Nachrichtenagentur Kyodo zitiert. Hintergrund der Berichte ist, dass das Unternehmen womöglich gewaltige Summen an Entschädigung zahlen muss - zum Beispiel an Anwohner von Fukushima und an Bauern, die verstrahlte Produkte nicht mehr verkaufen können.

Der deutsche Atomexperte Michael Sailer warnte im Deutschlandfunk, dass die Arbeiter in dem schwer beschädigten Kraftwerk voraussichtlich noch "viele Wochen, viele Monate" gegen eine drohende Kernschmelze kämpfen müssten. Der Chemiker ist Mitglied der Reaktorsicherheitskommission des Bundes, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts und ein bekannter Kritiker der Kernenergie. Der Fund von Plutonium an fünf Stellen in Fukushima bedeute, dass die Brennstäbe "entweder knapp unter der Kernschmelze oder in der Kernschmelze" seien, sagte Sailer. "(...) Plutonium geht erst bei sehr hohen Temperaturen raus." Der Wissenschaftler geht davon aus, dass die Techniker in dem Atomkraftwerk selbst nicht wissen, in welchem Zustand sich der Reaktorkern befindet.

Doch nicht nur in Fukushima ist die Lage angespannt: Erneut hat ein starkes Nachbeben die Katastrophenregion im Nordosten Japans erschüttert. Der Erdstoß mit einer Stärke 6,4 ließ am Abend auch in Tokio Hochhäuser wackeln. Eine Warnung vor Tsunami wurde jedoch nicht ausgegeben. Berichte über weitere Schäden oder Verletzte infolge des Nachbebens gab es nicht.

Die Zahl der offiziell für tot erklärten Opfer stieg am Dienstag auf 11.082. Weitere 16.717 Menschen werden nach wie vor vermisst. Ministerpräsident Kan will einen Sonderetat für die Folgen der Erdbebenkatastrophe von umgerechnet etwa 17 bis 26 Milliarden Euro aufstellen.

Auch mehr als zwei Wochen nach dem verheerenden Beben mit Tsunami kommen Hilfsgüter aus dem Ausland nur zögerlich bei den Flüchtlingen an. Ein Mitarbeiter einer Botschaft in Tokio kritisierte in der Zeitung Yomiuri: "Wenn wir mehr konkrete Informationen von der japanischen Regierung bekommen würden, welche Hilfen in bestimmten Gebieten benötigt werden, könnten wir effizienter helfen". Dem Bericht zufolge lagern in einigen Botschaften in Tokio Hilfsgüter aus dem Ausland, die allerdings nicht verteilt werden könnten.

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