Atomgespräche in Genf:Iran macht den ersten Zug

Vor dem Treffen gab es viele freundliche Worte, nun geht es um ein klares Signal: Bei den Atomgesprächen in Genf hat Irans Außenminister Sarif den UN-Vetomächten und Deutschland erklärt, wie die neue Regierung den Atomkonflikt entschärfen möchte. Details sind noch nicht bekannt - strittige Punkte gibt es viele.

Von Paul-Anton Krüger, Genf

Am Sitz der Vereinten Nationen in Genf haben am Dienstagmorgen neue Gespräche zwischen Iran und den fünf UN-Vetomächten sowie Deutschland (P5+1) über das umstrittene Atomprogramm der Islamischen Republik begonnen.

Kurz vor zehn Uhr trafen die Delegationen im Palais des Nations ein. Es sind die ersten Nuklear-Gespräche seit dem Machtwechsel in Teheran und der Amtsübernahme des als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rohani - und entsprechend groß sind die Erwartungen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton eröffnete die Verhandlungen mit einer kurzen Einführung, dann erst erläuterte Irans neuer Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in einer mit Spannung erwarteten Präsentation den Verhandlungsteilnehmern die Vorschläge der neuen Regierung.

Bis zum Abend drangen keine Details des neuen iranischen Vorschlags aus den Delegationen nach draußen. Zumindest aber führte er am Nachmittag "erstmals zu detaillierten technischen Diskussionen", wie Ashtons Sprecher Michael Mann am Abend mitteilte. Es bleibe aber "noch verdammt viel Arbeit zu tun". Seine Chefin, die im Namen der P5+1 die Verhandlungen führt, sollte am Abend Sarif noch zu einem weiteren bilateralen Gespräch treffen, die Beratungen in großer Runde sollten an diesem Mittwoch fortgeführt werden.

Aus der iranischen Delegation hieß es lediglich, der Vorschlag solle binnen eines Jahres zu einer endgültigen Lösung des Konflikts führen, ein vorläufiges Abkommen seit auch schon in einem halben Jahr möglich. Irans stellvertretender Außenminister Abbas Araghchi, der für juristische und internationale Angelegenheiten zuständig ist, sagte nach der Verhandlungsrunde am Morgen, die Vorschläge seiner Regierung seien "positiv aufgenommen worden". Iranische Medien berichteten, der Plan beinhalte drei Phasen, nannten aber auch keine Einzelheiten.

Auch am Vorabend hatte sich Sarif bei einem Dinner mit Ashton in der Residenz des iranischen Botschafters bei den UN keine Einzelheiten entlocken lassen. Mitglieder seiner Delegation hatten aber zumindest erkennen lassen, dass der Plan drei Phasen umfassen würde und nach den iranischen Vorstellungen zu einer endgültigen Lösung des Atomkonflikt binnen eines Jahres führen soll. Die P5+1-Staaten hatten selbst kein neues Angebot unterbreitet, sondern von Iran eine Antwort auf ein Paket verlangt, das sie im Februar im kasachischen Almaty vorgelegt hatten.

P5+1 prüfen Irans Vorschlag

Ashtons Sprecher Michael Mann sagte nach Beginn der Gespräche, man sei "vorsichtig optimistisch", dass Fortschritte erzielt werden können. Das Abendessen zwischen Ashton und Sarif sei "in positiver Atmosphäre" verlaufen, auch wenn die P5+1 Irans Angebot gerne vorab gekannt hätten. Sarif ließ sich auch von starken Rückenschmerzen weder von dem Dinner abhalten, bei dem vor allem die Modalitäten der Verhandlungen diskutiert wurden, noch davon, am Dienstag selbst Irans neue Vorschläge zu präsentieren.

Der 53-Jährige, der lange in New York gelebt hat und perfekt Englisch spricht, war nach Genf gereist, um die Bedeutung zu unterstreichen, die seine Regierung den Gesprächen beimisst. Die Verhandlungen, die stark technischer Natur sind, soll aber sein Stellvertreter Abbas Araghchi führen, der im Außenministerium in Teheran für juristische und internationale Angelegenheiten zuständig ist. Erstmals werden die Gespräche auch auf Englisch geführt und nicht über Dolmetscher, was zumindest Zeit spart und direktere Reaktionen erlaubt.

Araghchi nannte die Atmosphäre in den Verhandlungen am Vormittag "sehr gut und positiv". Beide Seiten seien "ernsthaft an einer Lösung interessiert". Die Verhandlungen wurden bis zum Nachmittag unterbrochen, damit die P5+1-Staaten Irans Vorschlag prüfen könnten. Laut Araghchi wird er bis auf weiteres geheim bleiben. Auf Grundlage des Vorschlags könnten sich beide Seiten auf einen Fahrplan einigen, der dann in einem Treffen der Staaten auf Außenministerebene diskutiert werden solle.

"Rote Linie" Uran-Ausfuhr

Mitglieder der amerikanischen Delegation hatten vor Beginn der Gespräche deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich bereit sind, auf den iranischen Vorschlag einzugehen, der vor allem eine Aufhebung der Sanktionen zum Ziel haben dürfte. Deshalb ist auch der Sanktionsexperte des US-Finanzministeriums, Adam Szubin, Teil der US-Delegation. Zugleich hatten die Diplomaten nochmals bekräftigt, dass Iran in vier zentralen Punkten substanziell auf die Sorgen der internationalen Gemeinschaft eingehen müsse, dass sein Atomprogramm anders als immer behauptet nicht allein friedlichen Zwecken dient.

So müsse Teheran Zugeständnisse bei "Umfang und Geschwindigkeit" der Urananreicherung, bei der Transparenz des Nuklearprogramms sowie bei den Vorräten von angereichertem Uran machen. Iran soll nach dem Willen der P5+1 die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent einstellen. Um dies zu erreichen, soll das Land produzierten Bestände wieder auf weniger als fünf Prozent verdünnen oder in ein Drittland ausführen, wo Brennelemente für den Forschungsreaktor in Teheran daraus gefertigt werden könnten. Das auf 20 Prozent angereicherte Material außer Landes zu bringen hatte Araghchi allerdings als "rote Linie" bezeichnet.

Sanktionen bleiben vorerst

Ein weiterer Bereich, der dem Westen "sehr ernste Sorgen" bereitet, ist der in Bau befindliche Schwerwasser-Reaktor in Arak, der Iran Zugang zu Plutonium verschaffen würde - und damit einen zweiten Weg zum Bau von Atomwaffen. Das mit großer technischer Sicherheit auszuschließen, ist aber genau das Verhandlungsziel der P5+1-Staaten.

Aussichten auf einen Durchbruch dämpften sowohl US-Diplomaten als auch Vertreter europäischer Länder. Für möglich halten sie allerdings, auf Grundlage der beiden Vorschläge weitere Treffen zu vereinbaren und rasch auf eine Lösung hinzuarbeiten.

Die Diplomaten machten auch deutlich, dass eine Aufhebung der für Iran schmerzhaftesten Sanktionen gegen die Ölexporte und das Finanzsystem der Islamischen Republik erst denkbar ist, wenn Iran alle wesentlichen Forderungen der P5+1 erfüllt hat. Man werde den "wirtschaftlichen Druck auf Iran aufrechterhalten, solange wir verhandeln".

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