Atomenergie:Grenzübertritt

Vorsorge vor Reaktorunfällen darf keine Grenzen kennen.

Von Michael Bauchmüller

Radioaktivität kennt keine Grenzen. Sollte etwa - nur zum Beispiel - ein belgischer Reaktor bersten, weil schadhafte Stellen seines Stahlbehälters doch gravierender waren als gedacht, dann bliebe das Problem nicht in Belgien. Der Fallout würde, den üblichen Wetterlagen entsprechend, mit großer Wahrscheinlichkeit nach Osten wehen. Warum sich Aachener derzeit größere Sorgen um belgische AKWs machen als Brüsseler, ist insoweit gut zu verstehen.

Am Mittwoch hat auch die deutsche Umweltministerin eine Grenze überschritten. Sie forderte die belgische Regierung auf, zwei der sieben dortigen Reaktorblöcke vom Netz zu nehmen. Es gebe noch offene Fragen, was die Sicherheit der beiden Anlagen angehe. Die deutsche Atomaufsicht mischt sich in ausländische Angelegenheiten ein? Das ist neu.

Der Vorgang offenbart die Defizite der Atomaufsicht in Europa. Seit jeher pochen die EU-Staaten auf ihre Souveränität, wenn es um Atomenergie geht. Jedes Land kontrolliert seine Anlagen selbst, im besten Fall gibt es bilaterale Kommissionen zwischen Nachbarländern. Sie bekommen mal mehr, mal weniger Einblick. Derweil altern die Reaktoren rund um Deutschland weiter - doch betroffene Anwohner jenseits der Grenze können noch nicht mal mitreden, wenn nebenan die Laufzeit eines AKWs verlängert wird. Die Folgen eines Atomunfalls sind grenzenlos.

Die Vorsorge ist es in der EU nicht.

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