Atomabkommen mit Iran:Trump will ein neues Iran-Gesetz - in 90 Tagen

  • In einer Rede hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, Iran Zertifikate über die Einhaltung des Atom-Abkommens zu verweigern.
  • Einen Rückzug hat er, anders als im Wahlkampf angeküdigt, nicht erklärt.
  • Offenbar ärgert ihn, dass er dem Kongress alle drei Monate bescheinigen muss, dass Teheran sich an den Deal hält.
  • Deshalb hat das Parlament nun 90 Tage Zeit, ihm ein neues Gesetz zu schreiben.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo, und Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump hasst das Atomabkommen mit Iran. Darin sind sich schon seit Längerem alle einig, die in der Angelegenheit mit dem Präsidenten zu tun haben. "Vermutlich hat er den Text nie gelesen und kennt auch die Details nicht", sagt ein Beobachter in Washington. "Aber er hält es trotzdem für das schlechteste Abkommen aller Zeiten, schon allein weil er es nicht selbst ausgehandelt hat."

Diese persönliche Abneigung Trumps gegen das Abkommen ist bekannt. Auch in seiner Rede am Freitagabend bezeichnete er die Vereinbarung - die ein Gutteil der diplomatischen Welt für eine Meisterleistung hält - als "einen der schlechtesten und einseitigsten Deals, den die USA je eingegangen sind". Doch was Trump dem Vernehmen nach besonders ärgerte, ist weniger der Inhalt, sondern die für ihn unangenehme Pflicht, dem Kongress alle drei Monate bescheinigen zu müssen, dass Teheran sich an das Abkommen hält und dessen Fortbestand im Interesse der USA liegt. Diese in einem US-Gesetz vorgeschriebene vierteljährliche "Zertifizierung" - ein Gütesiegel für einen Vertrag, den er verachtet - war zu viel für Trump. Im Sommer soll er deswegen einen regelrechten Schreianfall bekommen haben.

Abkommen mit Schwachstellen, das nicht ersatzlos gestrichen werden soll

Wichtige Mitarbeiter des Präsidenten wie Außenminister Rex Tillerson, Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsberater H.R. McMaster sehen das Abkommen hingegen differenzierter. Sie räumen ein, dass es Schwachstellen hat. Aber sie wollen es nicht ersatzlos kippen, wie Trump es im Wahlkampf immer wieder angekündigt hat. Ihre Logik: Es ist besser, Irans Atomprogramm wenigstens zu bremsen. Zudem wäre das Zerwürfnis mit Europa erheblich, sollten die USA das Abkommen kündigen und ihre gelockerten Sanktionen gegen Iran wieder verhängen.

Die derzeitige Lösung ist ein kunstvoll konstruierter Mechanismus, um einen Mittelweg zu finden - um, wenn man so will, das Abkommen zwar politisch zu verdammen, ohne es aber rechtlich aufzugeben. Sie erlaubt Trump einerseits, die Zertifizierung zu verweigern. Das hat andererseits jedoch keinerlei juristische Konsequenzen, zumindest vorläufig. Denn der Präsident fordert vom Kongress nicht, die Sanktionen wieder in Kraft zu setzen.

Stattdessen soll das US-Parlament zunächst ein neues Gesetz schreiben, in dem bestimmte Bedingungen formuliert sind, rote Linien gewissermaßen. Erst wenn Iran gegen diese verstößt, sollen die Sanktionen wieder verhängt werden. Auf diese Weise will Washington den Druck auf Teheran erhöhen, ohne das Atomabkommen rundweg zu kündigen.

Kongress muss vorsichtig Bedingungen formulieren

Wie diese roten Linien genau aussehen könnten, verriet weder Tillerson, als er in der Nacht zu Freitag Journalisten über die Kernelemente von Trumps Rede informierte, noch erläuterte sie der Präsident selbst. Nur so viel: Sie könnten sowohl das Nuklearprogramm betreffen als auch die anhaltenden Tests ballistischer Raketen, die auch die Europäer als Provokation empfinden. Überdies will Trump gemeinsam mit dem Kongress versuchen, die Laufzeitbegrenzungen des Abkommens auszuhebeln.

Das neue Gesetz müsse ja - anders als das Atomabkommen selbst - keine Ablaufdaten enthalten, sinnierte Tillerson. Eine mögliche rote Linie in diesem Sinne wäre es, wenn Iran nach Einschätzung der US-Geheimdienste sein Atomprogramm nach Ablauf der im Abkommen vorgesehenen Frist wieder so weit hochfährt, dass das Land binnen eines Jahres Nuklearwaffen bauen könnte. Das könnte dann neue US-Sanktionen auslösen. Eine solche Regel käme freilich einem nachträglichen, einseitigen Eingriff in das Abkommen gleich.

Entscheidend ist nach Ansicht von Diplomaten nun, wie detailliert - und vor allem wie hart - der Kongress die neuen Bedingungen an Iran formuliert. Je schärfer sie ausfallen, desto größer ist die Gefahr, dass Teheran dagegen verstößt - und das Atomabkommen doch noch kippt. Das gilt vor allem dann, wenn in dem Gesetz Beschränkungen für das iranische Raketenprogramm festgelegt werden, die nicht vom Atomabkommen gedeckt sind.

Unklar ist auch, wie in Teheran die Revolutionsgarden reagieren, wenn Trump neue Sanktionen gegen führende Köpfe der Elitetruppe verhängt oder gegen Firmen, die nach Ansicht der US-Geheimdienste Terrororganisationen wie die Hisbollah unterstützen. Die Revolutionsgarden sind es auch, die Raketen testen - und den Konflikt eigenmächtig eskalieren lassen könnten. Im Sicherheitsapparat in Teheran gibt es viele, die das Abkommen gern platzen sehen würden. Damit wäre Präsident Hassan Rohani, ihr politischer Gegner, erledigt.

Europäer wollen die Vereinbarung erhalten

Ein gegenseitiges Hochschaukeln der Hardliner in Teheran und Washington ist die größte Befürchtung der Europäer. Denn sie wollen die Atomvereinbarung um jeden Preis erhalten. Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben am Freitagabend erklärt, sie wollten an dem Abkommen festhalten - und zugleich appellierten sie an Iran, sich in einen "konstruktiven Dialog zur Beendigung destabilisierender Aktivitäten einzubringen." Schwierig wird es für die Europäer allerdings, wenn die Dinge eskalieren und sie sich für eine Seite entscheiden müssen.

US-Präsident Donald Trump

"Die Geschichte hat gezeigt: Je länger wir eine Bedrohung ignorieren, umso gefährlicher wird diese Bedrohung."

Ob die Kombination aus Warnungen und Angeboten die Akteure in Washington beeindruckt, ist offen. Das Problem der Europäer ist, dass das Atomabkommen im Kongress nur wenig echte Freunde hat. Ex-Präsident Barack Obama ließ das US-Parlament 2015 nicht darüber abstimmen - aus Angst vor einer Niederlage. Die Demokraten, von denen einige damals dagegen waren, sehen das Abkommen heute zwar als Teil des politischen Erbes von Obama und verteidigen es deswegen; wie vehement, wird man aber sehen.

Viele Republikaner lehnen das Abkommen dagegen ab und akzeptieren es allenfalls mangels brauchbarer Alternativen. Andere Republikaner plädieren hingegen offen für einen harten Kurs gegenüber Iran, bis hin zu Angriffen auf die Atomanlagen. Das ist keine gute Grundlage, um Trump und die Iran-Falken im Kongress im Zaum zu halten. Zumal sich einer der wichtigsten potenziellen Verbündeten der Europäer, der republikanische Senator Bob Corker, jüngst öffentlich mit Trump überworfen hat.

Kongress hat nur 90 Tage Zeit

Die Europäer machen seit Wochen Lobbyarbeit im Kongress, um den Senat dazu zu bewegen, das Abkommen zu erhalten. Sie können sich zwar nicht vorstellen, die Vereinbarung nachzuverhandeln, wie es Trump und einige Senatoren vielleicht wollen - auch weil Iran dazu nicht bereit ist. Anders sähe es aus, sollte es zu Gesprächen über das Raketenprogramm kommen. Ein neuer Verhandlungsprozess mit Iran über zusätzliche Vereinbarungen? Da würde die EU mitmachen, wenn der Senat bereit ist, die Forderungen nicht zu übertreiben.

Problematisch der Zeitdruck. Trump will, dass der Kongress das neue Gesetz binnen 90 Tagen beschließt. Ein Teil der Novelle wäre es unter anderem, dass die Klausel gestrichen wird, die Trump zu der von ihm so gehassten Zertifizierung verpflichtet. Die Republikaner hatten das einst durchgesetzt, um Obama damit zu piesacken. "Wenn das wegfällt, könnte für Trump das Thema weitgehend erledigt sein", mutmaßt ein hochrangiger Diplomat aus Europa. Aber dann könnte es schon zu spät sein.

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