Atomabkommen:Iran droht, die USA stören, die Europäer erwarten den Nervenkrieg

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"Derselbe Saal, in dem wir das Abkommen unterschrieben haben", war laut der EU-Außenbeauftragten Mogherini (orangefarbener Blazer) Ort des Treffens. (Foto: Hans Punz/dpa)
  • Seit US-Präsident Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen ist, wackelt der Deal.
  • In Wien werden erste Vorschläge diskutiert, wie man an der Vereinbarung festhalten kann. Iran macht Druck.
  • Das Ergebnis des Treffens: Sie wollen am Abkommen festhalten. Die Europäer unterstützen Irans Recht auf Öl-Exporte. Auf Details können sie sich aber nicht einigen.

Von Paul-Anton Krüger, Wien

Das Palais Coburg im feinen 1. Bezirk in Wien: Ort und Symbolik waren bewusst gewählt. Hier trafen sich am Freitag die Außenminister Chinas, Frankreichs, Russlands, Deutschlands und ein Vertreter Großbritanniens mit ihrem iranischen Kollegen Mohammed Jawad Zarif, um den Fortbestand des Nukleardeals nach dem Ausstieg von US-Präsident Donald Trump zu beschwören. Man saß "im selben Saal, in dem wir vor fast genau drei Jahren das Abkommen ausgehandelt und unterschrieben haben", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die Verhandlungsführerin der von Iran einberufenen Zusammenkunft.

Bundesaußenminister Heiko Maas sagte, das Treffen sende "ein deutliches politisches Signal, dass die teilnehmenden Staaten nach wie vor zu der Vereinbarung stehen und ihrer weiteren Umsetzung hohe Bedeutung beimessen" - kein Wort aber, dass der Deal gerettet sei.

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Ob das überhaupt möglich sein wird, gilt unter Diplomaten trotz all des Zweckoptimismus nicht als sicher. Man wisse nicht, "in was für eine Situation wir im November kommen", wenn die USA die Finanz- und Ölsanktionen wieder aktivieren, sagt einer, der mit den Verhandlungen vertraut ist.

Iran hat Forderungen gestellt, von denen die Europäer inzwischen offen sagen, dass man sie nicht wird erfüllen können. Die EU-Staaten, Russland und China müssten Iran für die Schäden haften, die durch den Rückzug der USA entstehen, lautet die Maxime in Teheran. "Wir werden nicht alles kompensieren können, was dadurch entsteht, dass sich Unternehmen zurückziehen, die ihr Amerika-Geschäft gefährdet sehen", hielt Maas dem entgegen.

Man wolle aber deutlich machen, dass Iran weiter wirtschaftliche Vorteile genieße, die an das Abkommen geknüpft seien, fügte er hinzu. Vor allem arbeite man daran, die Zahlungskanäle offen zu halten, die es Iran ermöglichen würden, weiter Öl zu exportieren und auch an die so generierten Einnahmen zu kommen. Die US-Sanktionen, die zum Teil Anfang August, zum Teil Anfang November wieder in Kraft treten, zielen auf das Ölgeschäft, Irans wichtigste Einnahme- und Devisenquelle, und sollen die Islamische Republik komplett vom internationalen Finanzsystem abschneiden.

Iran hat mehrmals ultimativ ein "Paket" mit konkreten und überprüfbaren Garantien der Europäer verlangt. Die Regierung von Präsident Hassan Rohani, der seine politische Zukunft auf das Abkommen gebaut hat, steht zu Hause massiv unter Druck. Die Hardliner rufen nach einem Amtsenthebungsverfahren, die Menschen machen die Regierung für den rapiden Wertverfall der Landeswährung Rial gegenüber dem Dollar verantwortlich und für die steigende Inflation. Die Europäer hatten ihm Mitte der Woche ein Papier mit Eckpunkten zukommen lassen. "Enttäuschend", nannte Rohani es nach iranischen Angaben am Donnerstagabend in Telefonaten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Es enthalte "keine konkreten und praktischen Lösungsvorschläge".

Zarif hörte sich am Freitag in Wien ein wenig positiver an. Die Europäer hätten "weitere Erklärungen" geliefert etwa beim Thema Bankverbindungen und Ölverkäufe, sagte er vor iranischen Journalisten. Die Vorschläge seien "gangbar", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Tasnim. Und nicht alle Elemente müssten öffentlich gemacht werden. Iran werde die Europäer an der praktischen Umsetzung messen - und die sei bis Anfang August nötig, wenn die ersten US-Sanktionen wieder in Kraft treten.

Doch auch diese Erwartung dämpften die Europäer. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte, man arbeite zusammen mit Russland und China an Finanzierungsmechanismen, um die bevorstehenden US-Sanktionen abzuwehren. "Wir versuchen, das vor August zu tun", sagte er. Aber die Zeit sei ein bisschen zu kurz, also werde es November werden. Zugleich warnte er Iran, sich mit Drohungen besser zurückzuhalten.

Teheran hatte Überlegungen in den Raum gestellt, seine Kooperation mit den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zu reduzieren. Rohani selbst machte während seines Europabesuchs Mitte der Woche indirekt Anspielungen, Iran könne die Straße von Hormus blockieren, wenn seine eigenen Ölexporte unmöglich gemacht würden.

Mogherini blieb am Ende nichts, als eine gemeinsame Erklärung der Minister zu verlesen, die kaum Details enthielt, etwa mit Blick auf Irans Verbleib im Swift-System, über das weltweit Banken ihre Transaktionen abwickeln. Anders als in der Vergangenheit ließ sie keine Fragen zu, auch gab es keinen gemeinsamen Auftritt mit Zarif. Weitere Gespräche sollen folgen, kündigte sie an, wenn nötig auch auf Ministerebene. Ein Nervenkrieg mit Nachtsitzungen wie vor drei Jahren dürfte spätestens im Oktober bevorstehen. Nur dass diesmal massives Störfeuer aus Washington dazukommen wird.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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