Atom-Deal:Großauftrag erledigt

Als Umweltminister hat Jürgen Trittin einst den Abschied von der Atomenergie ausgehandelt. Und nun auch dessen Finanzierung.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Irgendwann bricht es aus Matthias Platzeck heraus, auf offener Bühne knufft er seinen Nachbarn. "Für uns war es ein Schatz, dass wir einen hatten, der das im Blut hat", fährt es aus dem SPD-Mann heraus. "Einer konnte immer sagen - hey, ich war dabei." Und dieser eine war Jürgen Trittin. Er lächelt still. Natürlich sieht er das genauso.

Seit dem vorigen Herbst waren Trittin, Platzeck und der CDU-Mann Ole von Beust an der Spitze jener Kommission, die sich um die Finanzierung der atomaren Hinterlassenschaft gekümmert hatten. Doch das einstimmige Ergebnis der Kommission halten nun viele vor allem dem Grünen Trittin zugute - in einer Kommission, in der Freunde der Kernkraft ebenso saßen wie erbitterte Gegner, Industrievertreter wie Umweltschützer. "Eine tiefe Verbeugung für Jürgen Trittin", sagt einer aus dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium.

Tatsächlich hatte Trittin in den vergangenen Wochen einiges in die Kommission investiert. Ursprünglich hätte sie schon im Februar ihren Abschlussbericht abgeben sollen, doch ein Konsens war fern. Mehrmals trafen die Vorsitzenden der Kommission mit den Chefs der Stromkonzerne zusammen, um deren Zahlungsbereitschaft auszuloten, zuletzt am Montag. Parallel schliffen sie am Entwurf für den Schlussbericht, für den einzelne Mitglieder ganze Konvolute an Änderungswünschen übersandten. Theoretisch hätte die Kommission diesen Schlussbericht auch mit einer Zweidrittelmehrheit annehmen können. Dass alle Mitglieder dafür stimmten, erhöht nun den politischen Druck auf die Bundesregierung, genau diese Lösung auch umzusetzen. Noch in der Nacht zum Mittwoch, so heißt es aus Kommissionskreisen, hätten die Stromkonzerne zu intervenieren versucht. Offenbar ohne Erfolg.

Für Trittin ist es gleichsam die Vollendung eines politischen Großauftrags. Als grüner Bundesumweltminister hatte er zwischen 1999 und 2002 den ersten Atomausstieg ausgehandelt. Erstmals wurde die Kernkraft damit zum Auslaufmodell, die Laufzeiten der seinerzeit 19 deutschen Atomkraftwerke wurde auf rechnerisch 32 Jahre verkürzt. Schon damals verlangten die Grünen einen Fonds, um die Finanzierung der Stilllegung den Atomkonzernen zu entreißen - sie konnten sich nicht durchsetzen. 2005, die verkürzte Restlaufzeit der zweiten rot-grünen Regierung war schon besiegelt, versuchte Trittin es noch einmal, diesmal mit einem "Endlagerverband". In diesem Verband sollten die Energiekonzerne Zwangsmitglieder werden - und so auch die Suche nach einem Atommüll-Endlager finanzieren. Der Vorschlag ging im Wahlkampf unter.

Naturgemäß bezieht der Grüne nun die meisten Prügel für das Ergebnis

"Es ist ein Stück Vervollständigung dessen, was wir damals begonnen haben", sagt Trittin nun - freilich eine, die nun auch heftig unter Beschuss steht. Sowohl Umweltverbände als auch Stromkonzerne sind alles andere als begeistert. Die einen wittern einen Deal zu Lasten der Bürger, die anderen beschweren sich über unzumutbare Härten. "Ich schmunzle über beides", sagt Trittin nur. "Wenn uns die Stromkonzerne und die Umweltverbände kritisieren, kann ein solcher Kompromiss offensichtlich kein ganz schlechter sein." Im Übrigen, fügt Trittin schelmisch hinzu, schmunzle er über Konzernmanager, "die kritisieren, dass wir ihre Aktienkurse nach oben gebracht haben". Die Kurse waren nach der Einigung tatsächlich gestiegen. Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter poltert am Mittwoch erst einmal los. "Es ist eine absolute Unverschämtheit, dass die Atomkonzerne versuchen, sich aus ihrer Verantwortung zu stehlen", sagt er. "Es kann nicht sein, dass die Atomkonzerne die Lasten dem Steuerzahler aufbürden." Aber wenig später schon schiebt er hastig ein Lob nach. Schließlich sei Trittin da doch ein ganz guter Kompromiss gelungen.

Bundestag Comes To Session With New Political Landscape

Seit 1999 beschäftigt sich Jürgen Trittin mit dem Thema Atomausstieg.

(Foto: Adam Berry/Getty Images)
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