Griechenland:Warum Tsipras von den harten Einschnitten profitieren kann

Griechenland: Alexis Tsipras muss bei der eigenen Partei eindringlich für die Einigung mit den Kreditgebern werben.

Alexis Tsipras muss bei der eigenen Partei eindringlich für die Einigung mit den Kreditgebern werben.

(Foto: AFP)
  • Nach der Einigung mit den Kreditgebern stehen Griechenlands Premier Alexis Tsipras noch die wirklich schweren Verhandlungen bevor - in der eigenen Partei.
  • Der linke Flügel bezeichnet das neue Sparpaket als "Manifest des Thatcherismus".
  • Trotz seines Kurswechsels hat Tsipras die Bevölkerung hinter sich - und könnte noch stärker werden.

Von Mike Szymanski

Der griechische Premier Alexis Tsipras ist noch lange nicht am Ziel, er zieht von einer Schlacht in die nächste. Die Kreditgeber hat er offenbar von seinem Reformwillen überzeugen können. In jüngster Zeit meldeten die Verhandlungsführer aus Brüssel fast nur Erstaunliches nach Hause: Gut vorbereitetes Personal aufseiten der Griechen. An der Sache orientierte Gespräche. Gute Stimmung. Mit anderen Worten: hochprofessionelle Arbeit. Das war nicht immer so. Nach Tag- und Nachtsitzungen mit den einst so verhassten Vertretern der Institutionen steht eine Grundsatzeinigung für ein drittes Hilfspaket.

Griechenland könnte damit bald wieder flüssig sein. Welchen Preis Tsipras dafür wirklich zahlen muss, das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Die wirklich schwierigen Verhandlungen stehen ihm noch bevor. Die Gespräche mit den Geldgebern sind in der Sache hart, in Stil und Form aber angenehm, verglichen mit dem Umgang, der mittlerweile in Tsipras regierendem Linksbündnis Syriza herrscht. Dort geht ohne gegenseitige Drohungen und Hinterlist schon seit Monaten nichts mehr.

Auf dem Weg zu diesem dritten Hilfspaket haben jeweils mehr als 30 Abgeordnete Tsipras im Parlament zweimal die Gefolgschaft verweigert. Er war auf die Stimmen der Opposition angewiesen, um die Beschlüsse durchzusetzen. Es braucht wenig Fantasie, was dieses Mal passiert, wenn Tsipras das Abkommen ins Parlament bringt. Das könnte schon am Donnerstag oder Freitag der Fall sein.

Tsipras wollte die Sparpolitik beenden - und bringt ein Sparpaket nach Hause

Tsipras besiegelt damit das endgültige Ende einer Politik, für die er im Januar noch an die Spitze der Regierung gewählt worden war. Tsipras und seine Syriza wollten die Sparpolitik beenden. Das war ihr Wahlversprechen. Jetzt bringen sie von ihren Verhandlungen ein Sparpaket mit nach Hause, das es wirklich in sich hat: Niemand bleibt verschont.

Es dauerte am Dienstag auch nicht lange, bis Widerspruch aus dem eigenen Lager kam. Auf der Internetseite Iskra, wo sich der radikale Syriza-Flügel gerne zu Wort meldet, erschien prompt ein Artikel, in dem das Abkommen mit einer Schlinge verglichen wurde. Alexis Mitropoulos, führender Syriza-Politiker und Vizepräsident im griechischen Parlament, sagte, die Vereinbarung sei schwer zu schlucken, sie sei ein "Manifest des Thatcherismus".

Bei den Armen ist jetzt schon nicht mehr viel zu holen. Aber auch sie werden später in Rente gehen und müssen ihren Alltag in einem Land bewältigen, in dem das Leben wohl wieder ein Stück teurer werden wird. Die Vermögenswerte des Staates werden verkauft. Die gute Nachricht ist: Endlich traut sich eine Regierung an die Reeder ran und will die Tonnagesteuer erhöhen.

Trotz Kurswechsels hat Tsipras die Bevölkerung hinter sich

Das Erstaunlichste an der griechischen Innenpolitik ist im Moment, dass Tsipras trotz seines Kurswechsels eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich weiß. Wortbruch wird in der Regel nicht belohnt. Tsipras scheint dagegen sogar mächtiger zu werden, je stärker er sich von den linken Hardlinern in seiner Partei entfernt.

In den vergangenen Wochen hat er bei Fernsehauftritten und leidenschaftlichen Reden im Parlament die Niederlage zu seinem Sieg umgedeutet. Seine Botschaft war: Mehr haben wir nicht herausholen können, aber wir waren die Ersten, die wirklich gekämpft haben. Die Leute nehmen ihm das ab. Mittlerweile steht er als unangefochtener politischer Führer im Land da. Selbst Oppositionspolitiker sagen, er sei gekommen, um zu bleiben. Dass die Opposition seine Politik im Parlament bisher unterstützte und es auch dieses Mal tun dürfte, zeigt, wie sehr Tsipras trotz der Probleme im eigenen Lager die Fäden in der Hand hält.

"Das Abkommen stärkt Tsipras"

Bei Umfragen sprach sich zuletzt eine klare Mehrheit dafür aus, zu einem Kompromiss mit den Kreditgebern zu kommen, auch wenn das neue Härten bedeuten würde. Ein Kabinettsmitglied sagte am Dienstag: "Das Abkommen stärkt Tsipras." Dafür, dass dieser Regierung so oft Unprofessionalität vorgeworfen wurde, hat sie die jüngsten Gespräche sehr seriös geführt. Für unangenehme Reformen, die das Land dringend braucht, die EU verantwortlich machen zu können, kann sich noch als großer Vorteil erweisen.

An Neuwahlen im Herbst dürfte trotzdem nicht viel vorbeiführen. Der Machtkampf in Syriza zwingt Tsipras zu diesem Schritt. Er will die Saboteure in den eigenen Reihen loswerden, die sich um Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis versammelt haben. Die Bereitschaft in der Opposition, Tsipras weiterhin zu unterstützen und trotzdem nicht an den Hebeln der Macht zu sitzen, endet, wenn der Verbleib Griechenlands im Euro sichergestellt ist. Trotzdem muss selbst die konservative Nea Dimokratia die Zukunft mit Tsipras planen. Eine Alternative zu ihm hat im Moment niemand.

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