Asylstreit:Seehofers Angst vor dem Parteitag

CSU-Parteitag

Als sie zusammen noch gefeiert wurden: Angela Merkel und Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag im Dezember 2014.

(Foto: dpa)
  • Am 20. November kommt die CSU zum Parteitag zusammen. Bayerns Ministerpräsident Seehofer will sich dann wieder zum Vorsitzenden wählen lassen.
  • Ihm droht Ungemach von der Parteibasis, wenn er in der Flüchtlingsfrage Kanzlerin Merkel vorher keine Zugeständnisse abringen kann.

Von Robert Roßmann, Berlin

CSU-Parteitage unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von denen der politischen Konkurrenz. Es geht meistens rauer zu, Diplomatie und Feinsinn sind nicht jedem Christsozialen in die Wiege gelegt. Vor allem aber sind CSU-Parteitage weniger steuerbar als die von CDU oder SPD. Bei den Christ- und Sozialdemokraten sind fast nur Mandatsträger Delegierte - die haben als Polit-Profis viel Verständnis für den Wunsch einer Parteispitze, nach außen ein harmonisches Bild abzugeben. Die SPD tritt in 16 Bundesländern an, hat aber nur 600 Parteitagsdelegierte. Die CSU gibt es lediglich in Bayern, sie zählt aber 1000 Delegierte. Kurz gesagt: Bei der CSU sitzt eher die Basis im Saal. Und die macht gerne, was sie will.

Das muss man wissen, um zu verstehen, warum sich gerade so viele Sorgen wegen des 20. November machen. An diesem Tag kommt die CSU in der Münchner Messe zu ihrem nächsten Parteitag zusammen. Horst Seehofer will sich noch einmal zum Vorsitzenden wählen lassen.

Wenn das Ergebnis deutlich hinter die 95 Prozent vom letzten Mal zurückfällt, muss er Angst haben, dass ihn Markus Söder vor der Zeit beerbt. Auch deshalb hat der CSU-Chef die Backen im Streit um die Flüchtlingspolitik so aufgeblasen. Die CSU-Basis ist fast geschlossen verärgert über den Kurs Angela Merkels in der Flüchtlingskrise. Wenn Seehofer vor dem Parteitag Druck aus dem Streit mit der Kanzlerin nimmt, oder ihr keine vorzeigbaren Erfolge abringen kann, droht ihm Ungemach.

Sorgen, dass Merkel statt beklatscht, abgekanzelt wird

Der 20. November bekümmert aber auch Merkels Leute. Das liegt nicht nur daran, dass die CDU-Chefin an diesem Tag auf dem CSU-Parteitag auftreten wird. In den vergangenen Jahren war derlei ein Spaziergang für die Kanzlerin. Merkel wurde jedes Mal mit langem Applaus bedacht. Vor einem Jahr in Nürnberg konnte sie überschwänglich die harmonische Zusammenarbeit mit der Schwesterpartei loben, ohne heucheln zu müssen. "Ich bin froh, wieder auf einem CSU-Parteitag zu sein", sagte Merkel gleich zu Beginn ihrer Rede. Am Ende standen die 1000 Delegierten auf und feierten die Kanzlerin. Doch diesmal dürfte es kein einfacher Gang werden. In der CSU-Zentrale machen sich einige schon Sorgen, dass die Delegierten Merkel weit über Gebühr abkanzeln werden.

Das könnte die CDU-Chefin zur Not ja noch verschmerzen. Viel schlimmer ist für Merkel die Zwangslage Seehofers. Mit jemandem, der derart unter Druck steht, ist schwer zu verhandeln.

Selbst wenn es an diesem Wochenende zu einer Einigung der drei Parteichefs kommt, besteht die Gefahr, dass diese nicht bis zum 20. November ausreicht. Drei Wochen sind angesichts der enormen Flüchtlingszahlen, mit denen es die Bayern gerade zu tun haben, eine sehr lange Zeit. In so einer Situation stellt sich die Frage, ob man Seehofer mehr geben muss, als man eigentlich will.

Seehofer wird nicht das Ergebnis bekommen, welches er gerne hätte

Außerdem fragen sich Beobachter, was Seehofer mehr hilft: Sofort ein großes Zugeständnis, damit Ruhe ist. Oder peu à peu mehrere kleinere Zugeständnisse, damit Horst Seehofer mit immer neuen Erfolgen über die lange Strecke bis zum 20. November kommt. Auch deshalb ist es so schwer vorauszusagen, was genau das Ergebnis der Krisentreffen vom Wochenende sein wird.

Eines ist allerdings schon jetzt sicher. Das Ergebnis, das Seehofer am liebsten hätte, wird er nicht bekommen. Es wäre zwar nur ein Symbol - und würde an den realen Problemen praktisch nichts ändern. Aber für Seehofer ist es fast zur Obsession geworden. Er hätte gerne, dass endlich auch Merkel von einer Obergrenze spricht, die es bei der Flüchtlingszahl geben müsse. Seehofer verlangt von Merkel das Eingeständnis, dass es ein Fehler war, eine Grenze öffentlich zu verneinen.

Die CSU verweist in diesem Zusammenhang gerne auf die Griechenland- und die Euro-Rettung. Seehofer hatte hier den Kurs seiner Partei korrigiert und war selbst auf dem Höhepunkt des Grexit-Streits treu an der Seite der Kanzlerin gestanden. Dabei hätte er Merkel erheblich ins Wanken bringen können. Trotz der Loyalität Seehofers verweigerten damals 65 Unionsabgeordnete Merkel die Gefolgschaft. Hätte Seehofer den Streit befeuert, hätte die Abstimmung für Merkel noch deutlich schlimmer ausgehen können. Seehofer hätte gerne, dass Merkel sich jetzt auch zu solch einer Kurskorrektur durchringt.

Dass es die nicht geben wird, liegt an zweierlei. Zum einen ist Merkel immer noch davon überzeugt, dass ihr Kurs der richtige ist. Zum anderen hat sie ein Maß an innerer Unabhängigkeit erreicht, das sie nicht mehr in den üblichen Kategorien von Parteivorsitzenden denken lassen muss.

Merkel braucht nicht noch eine gewonnene Wahl, für einen angemessenen Platz im Geschichtsbuch

Angesichts des erheblichen Widerstands auch in der CDU gegen ihren Kurs müsste Merkel eigentlich auf ihre Partei und die vielen Kritiker zugehen. Parteichefs, die solche Gegenströmungen einfach ignorieren, gehen in der Regel bald unter. Doch Merkel ist inzwischen im zehnten Jahr ihrer Kanzlerschaft. Sie hat mehr erreicht als viele Vorgänger. Sie hat drei Bundestagswahlen gewonnen und ihre Union beim letzten Mal sogar fast bis zur absoluten Mehrheit im Bundestag geführt.

Merkel muss nicht noch eine Wahl gewinnen, um einen gebührenden Platz im Geschichtsbuch zu bekommen. Wenn sie nur wegen ihrer Standhaftigkeit in der Flüchtlingsfrage die Macht verlieren sollte, würde das ihre Rolle in der Geschichte - zumindest in den Augen ihrer Anhänger - nicht schmälern. Mangels gefährlicher Kronprinzen stellt sich die Machtfrage aber noch gar nicht.

Auch das erklärt, warum Merkel bisher erstaunlich gelassen mit der Krise umgeht. Immerhin sind die Umfragezahlen für die Union auf 35 Prozent eingebrochen. Auf den CDU-Regionalkonferenzen sind bereits die ersten Mitglieder aufgestanden und haben Merkels Rücktritt verlangt.

Auch in der Bundestagsfraktion formiert sich gewaltiger Widerstand. Am kommenden Dienstag kommen die Abgeordneten wieder zusammen. Der Parlamentskreis Mittelstand, die größte Gruppe in der Fraktion, hat ihren Unmut bereits vergangene Woche kundgetan. Ihr Vorsitzender Christian von Stetten sagte, er "teile die Meinung unserer Fachpolitiker, dass wir auf den nicht enden wollenden Zustrom reagieren müssen". Viele Mitglieder seines Kreises hätten deshalb die Innen- und Rechtspolitiker der Fraktion aufgefordert, einen entsprechenden Antrag zur Asylpolitik in der Sitzung am Dienstag einzubringen.

Bisher gibt es einen solchen Antrag noch nicht. Aber schon die Debatte darüber zeigt, wie kritisch die Lage ist. Außerdem steht Merkel nicht nur der CSU-Parteitag bevor. In Karlsruhe kommen im Dezember auch die Delegierten der CDU zusammen. Merkel muss sich dort zwar keiner Wahl stellen. In der Partei gibt es auch noch niemanden, der ihr ernsthaft die Kanzlerschaft streitig machen könnte - die Spekulationen um Wolfgang Schäuble sind eher eine Spielerei von Journalisten als eine reale Gefahr. Außerdem lassen sich CDU-Parteitage im Gegensatz zu denen der CSU ganz gut choreografieren.

Ohne vorzeigbare Ergebnisse an diesem Wochenende wird sich Merkel in Karlsruhe trotzdem gewaltig rechtfertigen müssen.

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