Asylpolitik:Grenzgänger

Horst Seehofer will schon lange eine Beschränkung der Zuwanderung - notfalls gegen den Willen der Bundeskanzlerin und der Opposition. Nicht immer legte der CSU-Chef dabei das gleiche Maß an Nachdruck an den Tag. Chronik einer Forderung.

Viele in der CSU halten die Obergrenze zur Flüchtlingszuwanderung für den Kern der Glaubwürdigkeit ihrer Partei. Diese harte Haltung hatte in den vergangenen Monaten immer wieder zum Zwist mit der Schwesterpartei CDU geführt, die eine solche Grenze ablehnt. Einen Höhepunkt erreichte die Debatte im vergangenen Dezember, als Ministerpräsident Horst Seehofer sich sogar bereit zeigte, in die Opposition zu gehen, sollte die Obergrenze von 200 000 Migranten pro Jahr nicht akzeptiert werden. Je näher die Wahl rückt, desto mehr bemüht sich Seehofer darum, Einigkeit mit der CDU zu demonstrieren. Am Sonntag beim ARD-Sommerinterview gab es dann Irritationen.

Januar 2016: Auf der Klausur in Wildbad Kreuth gibt der Parteichef erstmals die Zahl 200 000 als Ziel aus. Diese Garantie wolle er den bayerischen Wählern geben.

14. Dezember 2016: Seehofer sagt in der ARD: "Wir werden zu einer Begrenzung, auch zu einer Obergrenze kommen." Die CSU werde dafür sorgen, dass dies in der kommenden Legislaturperiode "in die Regierungspolitik Einzug hält". Auf die Frage, ob er 2017 in die Opposition gehen werde, wenn im Koalitionsvertrag keine Obergrenze stünde, antwortete Seehofer: "Sie haben das gut verstanden, ja."

Januar 2017: Auf der Klausur in Kloster Seeon präsentiert Seehofer ein "Regelwerk zur Begrenzung von Flüchtlingen" inklusive Obergrenze.

6. Februar: Nach langem Streit ruft die CSU die CDU-Chefin zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl aus. Die Parteichefs demonstrieren Einigkeit. Merkel betont, sie habe nicht die Absicht, ihre ablehnende Haltung zur Obergrenze zu ändern.

3. Juli: Die Spitzen von CDU und CSU beschließen ihr Programm für die Bundestagswahl einstimmig. Die Drohung, im Fall eines Wahlsiegs auf eine Regierungsbeteiligung zu verzichten, sollte die Obergrenze nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden, wiederholte kein führender CSU-Politiker.

16. Juli: Merkel sagt in der ARD: "Zur Obergrenze ist meine Haltung klar: Ich werde sie nicht akzeptieren."

17. Juli: Seehofer ist verärgert über Merkels Aussage. Die Äußerungen "hätte man auch lassen können", wird Seehofer zitiert; Der Parteivorstand beschließt das Wahlprogramm für die Bundestagswahl, den "Bayernplan", darin enthalten: eine Obergrenze von 200 000 neuen Flüchtlingen pro Jahr für Deutschland.

29. Juli: Seehofer lässt die Bereitschaft erkennen, die Zahl in humanitären Ausnahmefällen nach oben anzupassen. Mit Blick auf den jugoslawischen Bürgerkrieg in den Neunzigerjahren sagt er, auch damals habe die Bundesregierung ein fixes Kontingent für die Aufnahme von schutzbedürftigen Flüchtlingen festgelegt.

20. August: Seehofer ist wieder zu Gast in der ARD, die Agenturen senden Eilmeldungen: "Seehofer rückt von Obergrenze für Flüchtlinge ab". Auf die Frage, ob er keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen werde, in dem nicht die Obergrenze stehe, sagt der Parteichef: "Alleine, dass wir die Obergrenze in die politische Diskussion gebracht haben, hat die Politik in Berlin doch entscheidend verändert. Die Politik in Berlin hat sich so verändert, dass wir zufrieden sind." Es gebe nun wesentlich weniger Zuwanderung als damals. Und er fügt hinzu: "Wir garantieren, dass es so bleibt wie es ist." Und nach der Wahl werde ein Regelwerk zur Bekämpfung von Fluchtursachen, Integration und der Begrenzung der Zuwanderung vereinbart werden.

Nach den Agenturmeldungen sieht sich Seehofer falsch verstanden. Er teilt mit: "Kein Abrücken von der Obergrenze. Die 200 000 bleiben. Wenn anstelle der ,Obergrenze' ,Kontingent' steht, das ist nicht mein Problem."

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