Asylanträge:Festung Deutschland

Asyl

Europäische Union: Wo stellen wie viele Menschen einen Asylantrag?

(Foto: SZ-Grafik: Eiden)

Die Zahl der Asylbewerber steigt rasant: 2013 hoffen so viele Menschen auf eine bessere Zukunft in Deutschland wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Die Chancen auf einen erfolgreichen Asylantrag sind gering, weil an den deutschen Grenzen Flüchtlinge abgewiesen werden können, bevor sie überhaupt "Asyl" sagen können.

Von Jan Bielicki

Der Herbst ist die Saison der Flüchtlinge. Wenn der Sommer zu Ende geht, wächst die Zahl der Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen. Im September hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge genau 11.461 Erstanträge auf Asyl verzeichnet, so viele waren es in einem Monat seit Oktober 1996 nicht mehr. Mehr als 74.000 Flüchtlinge haben sich damit seit Anfang 2013 gemeldet, das sind bereits jetzt mehr als im gesamten Jahr davor. Ähnlich viele Menschen waren zuletzt vor mehr als zehn Jahren nach Deutschland geflüchtet. Bei Weitem nicht erreicht sind freilich frühere Flüchtlingszahlen: 1992 wurden fast 440.000 Asylbewerber gezählt. Was dazu führte, dass eine ganz große Koalition aus Abgeordneten von Union, FDP und SPD 1993 das deutsche Grundrecht auf Asyl stark einschränkte.

Damit ist es für Flüchtlinge nicht nur schwierig geworden, Asyl zu bekommen, sondern es überhaupt in Deutschland zu beantragen. Denn seither steht im Grundgesetz, dass sich nicht auf das dort verbriefte Asylrecht berufen darf, "wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist", der für Flüchtlinge als sicher gilt.

Tür im Südosten

Das aber gilt für jeden, der über Land in das von EU-Ländern (und dem sicheren Drittstaat Schweiz) umgebene Deutschland einreist. An den deutschen Grenzen können Flüchtlinge darum abgewiesen werden, bevor sie überhaupt "Asyl" sagen können. Zumal nach dem Dubliner Übereinkommen von 2003 das Asylverfahren in dem Land stattzufinden hat, das dem Flüchtling die Einreise in die EU ermöglicht hat. Wer etwa vor der Insel Lampedusa aus dem Mittelmeer gerettet wird, um den muss sich Italien kümmern. Deutschen Boden haben die im Süden Europas strandenden Flüchtlinge nicht zu betreten - soweit die Theorie.

Die steigenden Zahlen der Asylbewerber beweisen aber, dass Flüchtlinge trotz aller paragrafenbewehrter Abschottung Wege nach Deutschland finden - und hier einen Asylantrag stellen. "Wenn wir nicht wissen, wie ein Asylsuchender eingereist ist, können wir ihn auch nicht zurückschicken", heißt es im Bundesamt für Migration. Schlepper, so eine Sprecherin, spielten dabei eine große Rolle - doch Zahlen darüber, auf welche Weise Asylsuchende nach Deutschland kommen, hat das Amt nicht.

Auch in anderen Fällen ist das Dublin-Abkommen oft schwer durchzusetzen. Die größte Gruppe der Asylsuchenden etwa sind die in diesem Jahr bereits knapp 14.000 russischen Bürger, die meist aus Tschetschenien nach Deutschland kommen. Sie reisen wohl fast alle via Polen.

Im Südosten hat sich dagegen eine Tür geöffnet

Ins Nachbarland überstellt werden jedoch die wenigsten, weil Familien wenn, dann nur gemeinsam zurückgeschickt werden sollen, was selten möglich ist. Eine Chance, als Flüchtlinge eingestuft zu werden, haben russische Staatsbürger kaum, die Anerkennungsquote liegt bei gerade 2,4 Prozent. Bürger aus den Nachfolgerepubliken des früheren Jugoslawien wiederum, von denen im September fast jeder dritte Asylantrag kam, sind zwar von der Drittstaaten-Regelung ausgenommen. Ihre Anträge haben aber noch weniger Aussicht auf Erfolg: 2013 erhielt genau ein Serbe Asyl.

Im Südosten dagegen hat sich eine Tür geöffnet: Wer aus Griechenland in die Bundesrepublik gelangt, muss seit Anfang 2011 nicht mehr fürchten, dorthin zurückgeschoben zu werden. Denn der Europäische Gerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben Überstellungen nach Griechenland untersagt, weil Flüchtlinge dort unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt sind.

Und Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Iran, dem Irak oder Somalia haben, falls sie denn Deutschland erreichen, gute Aussichten, hier Aufnahme zu finden. Zwar wurde 2013 nur wenigen hundert von ihnen Asyl nach Artikel 16a des Grundgesetzes zugestanden. Aber die Mehrzahl - zum Beispiel je 55 Prozent der Iraner und Iraker und 95 Prozent der Syrer - erhalten das "kleine Asyl": Sie fallen unter die Genfer Flüchtlingskonvention. Diese verbietet die Abschiebung von Flüchtlingen, denen im Heimatland Gefahr für Leib und Freiheit droht. Insgesamt ergab sich 2013 in immerhin 27,4 Prozent der Asylverfahren: Der Flüchtling darf vorerst bleiben, und zwar legal.

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