Asyl:Spitzel-Verdacht bei Ausländerbehörden

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf dem Gelände der ehemaligen Südkaserne Nürnberg 04 01 2

Das Asyl-Bundesamt – hier der Hauptsitz in Nürnberg – fordert von seinen Mitarbeitern „Neutralität“.

(Foto: Imago)

Türkische Asylbewerber verdächtigen türkisch­stämmige Ämter-Mitarbeiter.

Türkische Asylbewerber verdächtigen einem Medienbericht zufolge türkischstämmige Mitarbeiter deutscher Ausländerbehörden, sie an regierungstreue Kreise in ihrer Heimat verraten zu haben. In einer gemeinsamen Recherche berichten der Spiegel und das ARD-Magazin "Report Mainz" von Fällen, in denen Türken kurz nach Gesprächen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) oder in einer Ausländerbehörde in türkischen Zeitungen oder Fernsehsendern unter Nennung ihres deutschen Aufenthaltsorts als "Terroristen" diffamiert worden seien. In mindestens zwei Fällen ermittelten nun Staatsschutzabteilungen der Polizei, berichtet das Nachrichtenmagazin, das zum Schutz der Betroffenen keine näheren Ortsangaben macht.

Das Bamf teilte mit, sich in diesem Jahr bereits in 15 Fällen von freiberuflichen Dolmetschern getrennt zu haben, "vor allem aufgrund von Verletzungen der Neutralitätspflicht". Es sei allerdings kein Fall bekannt, in dem solche Mitarbeiter Informationen über Asylbewerber an türkische Behörden weitergegeben hätten. Auch in dem Medienbericht ist nur von Spitzelei für türkische Medien die Rede, nicht jedoch von Spionage für einen türkischen Nachrichtendienst.

Die Zusammenarbeit mit Dolmetschern oder Mitarbeitern ausländischer Herkunft ist für das Bamf immer wieder heikel. Zuletzt war ein aus Vietnam stammender langjähriger Mitarbeiter der Bamf-Außenstelle in Jena entlassen worden, weil sich herausstellte, dass er bei Facebook gegen vietnamesische Oppositionelle gehetzt hatte, die in Deutschland leben. Der Verdacht, dass er darüber hinaus seinen Einblick in das Ausländerregister und andere Bamf-Akten genutzt haben könnte, um Kritiker der vietnamesischen Regierung auszuforschen, erhärtete sich jedoch nicht. Nach den neuerlichen Vorwürfen gegen türkischstämmige Mitarbeiter schlägt Grünen-Chef Cem Özdemir vor, die Sicherheitsüberprüfung für Dolmetscher zu verschärfen. "Jeder, der für die Sicherheit unseres Landes arbeitet, muss sich loyal zu Deutschland und keinem anderen Land zeigen", sagte Özdemir.

Echte oder vermeintliche Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und der AKP-Regierung in Ankara stehen seit Längerem auch in Deutschland unter verschärfter Beobachtung der türkischen Seite. Eine der Personen, auf die sich der Spiegel als Quelle stützt, hat als Anhänger der Gülen-Bewegung inzwischen Asyl in Deutschland erhalten. Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Seither sind dort Zehntausende aus dem Staatsdienst entlassen worden, Tausende wurden inhaftiert. Mehr als 600 ranghohe Staatsbeamte haben seit dem Putschversuch Asyl in Deutschland beantragt, wie aus Zahlen des Bundesinnenministeriums hervorgeht, die den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vorliegen. Demnach hatten bis Mitte September 250 Personen mit türkischen Diplomatenpapieren und 380 mit Dienstausweisen für hohe Staatsbeamte Asyl in der Bundesrepublik beantragt.

Der Deutsche Richterbund befürchtet angesichts der Entlassungs- und Verhaftungswelle bei türkischen Staatsbediensteten das Ende einer unabhängigen Justiz in dem Land. Tausende Richter und Staatsanwälte seien entlassen und teils selbst inhaftiert worden, sagte der Geschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn, den Zeitungen. An ihre Stelle seien vielfach regierungsnahe Juristen getreten, die nach einer Schnellausbildung ins Amt gekommen seien. "Eine effektive, rechtsstaatliche Kontrolle des Erdoğan-Regimes durch eine unabhängige Justiz fällt damit weitgehend aus", kritisierte Rebehn.

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