Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer:"Kein Tabuthema"

Lesezeit: 2 min

In Dresden werden Flüchtlinge notdürftig in Zelten untergebracht. Ärzte haben eine unzureichende Ausstattung und die Hygiene-Bedingungen kritisiert. (Foto: Robert Michael/imago)
  • Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen wird darüber diskutiert, weitere Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Außenminister Steinmeier kann sich das vorstellen, die Opposition ist dagegen.
  • Der nächste Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern wird Medieninformationen zufolge auf den 9. September vorgezogen.
  • Abgelehnte Asylbewerber müssen künftig mit einer Wiedereinreise-Sperre rechnen.

Angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen aus Balkanstaaten debattieren Politiker verstärkt über eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Offenbar wollen Bund und Länder darüber auf ihrem nächsten Flüchtlingsgipfel beraten. Das berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter Berufung auf das Kanzleramt. Demnach wird das Treffen auf den 9. September vorgezogen; ursprünglich war es für Oktober oder November geplant. Am Wochenende bekräftigten Unionspolitiker ihre Forderung nach einer Ausweitung der Länder-Liste. Die SPD ist in der Frage gespalten.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich offen dafür, weitere Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. "Die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf die Staaten des Westbalkan darf kein Tabuthema sein", sagte er. Die Akzeptanz der Menschen in Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen könne nur erhalten werden, wenn glaubhaft daran gearbeitet werde, Verfahren zu beschleunigen, und wenn chancenlose Asylbewerber rasch Klarheit erhielten.

Ablehnungsquote für Flüchtlinge aus Balkanländern bei 99 Prozent

Die Zahl der Asylbewerber aus dem Westbalkan hat in den vergangenen Monaten zugenommen. Die Ablehnungsquote liegt nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bei 99 Prozent. Zu den betroffenen Staaten gehören Albanien, Kosovo und Montenegro. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte, Flüchtlinge aus diesen Ländern zügig zurückzuschicken. "Wer etwa aus Kosovo kommt, sollte innerhalb eines Monats wieder in seine Heimat zurück", sagte Kauder der Welt am Sonntag.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach sich dagegen aus, weitere Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. "Das ist armselige Symbolpolitik", sagte er der Bild am Sonntag. Die entsprechende Einstufung Serbiens, Mazedoniens sowie Bosniens im vergangenen Jahr habe "nichts an der Zahl der Flüchtlinge von dort geändert". Zudem würden Roma in Kosovo diskriminiert. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) appellierte an die Regierung, Entwicklungshilfe auf dem Balkan zu leisten. Deutschland müsse mit den Staaten "Entwicklungsvereinbarungen" schließen, sagte er der Welt.

Flüchtlinge vom Balkan
:Relativ verfolgt

Wer vom Balkan nach Deutschland kommt, hat fast keine Chance auf Asyl. Doch Begriffe wie "Wirtschaftsflüchtling" und "Asylbetrug" gehen an der Realität vorbei und sind gefährlich.

Von Alex Rühle

Wiedereinreise-Sperre nach Ablehnung

Der Präsident des Bamf, Manfred Schmidt, kündigte an, dass viele Asylbewerber mit einer Wiedereinreise-Sperre nach Deutschland rechnen müssten. Derzeit seien 94 000 Anträge von Flüchtlingen aus Balkanstaaten in Bearbeitung. Fast alle würden mit dem ablehnenden Asylbescheid zugleich die Mitteilung über die Wiedereinreise-Sperre und das Aufenthaltsverbot erhalten, sagte Schmidt.

Angesichts des Mangels an Flüchtlingsunterkünften dringt die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner auf niedrigere Standards: "Die Gebäude müssen natürlich sicher und menschenwürdig sein, aber die Frage ist: Muss ein Gebäude unbedingt perfekt sein und allen Normen entsprechen, oder ist es nicht wichtiger, dass Menschen, die um ihr Leben gebangt haben, sicher unterkommen?" Ziel müsse sein, leer stehende Gebäude schnell zu beziehen. Zelte seien keine Lösung.

© SZ vom 10.08.2015 / epd, kna, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Asylbewerber vom Balkan
:Abschreckende Botschaften

Die Bundesregierung lässt kaum etwas unversucht, um Menschen vom Westbalkan von einem Asylantrag in Deutschland abzuhalten. Legale Wege zur Einwanderung zeigt sie kaum auf.

Von Stefan Braun

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: