Asyl im Grundgesetz:Dürre Visionen

Weder beherzt noch beseelt: Thomas de Maizière weckt die Sehnsucht nach Otto Schily. Sein Befreiungsschlag ist keiner.

Von Heribert Prantl

Der Bundesinnenminister, der nach der Verfassung auch Verfassungsminister ist, ist in schlechter Verfassung. Thomas de Maizière fasste die Flüchtlingskrise bisher in einer Weise an, die man weder als beherzt noch als beseelt bezeichnen kann. Man ertappte sich dabei, Sehnsucht nach der Entschlossenheit des Innenministers Otto Schily zu haben, der 2001 in sehr kurzer Zeit ein sehr ordentliches Gesetz zur Steuerung von Einwanderung vorgelegt hat (das aber dann leider im Bundesrat an der CDU scheiterte). Solche Schily'sche Verve bräuchte der Minister de Maizière, um gute Ordnung in die Ankunft und in die Aufnahme der Flüchtlinge zu bringen.

Nun hat de Maizière einen Befreiungsschlag versucht, der keiner ist: Er fordert, dass Europa nur noch ein bestimmtes Kontingent an Flüchtlinge aufnehmen und dann auf die Mitgliedsstaaten verteilen soll; der Rest an Schutzbedürftigen soll außerhalb Europas untergebracht werden. Der Minister meint, das 1993 verkleinerte deutsche Asylgrundrecht könnte gleichwohl beibehalten werden; es werde aber an Bedeutung verlieren.

Es handelt sich um den Versuch, den verbliebenen Kern des Asylgrundrechts zu entfernen. Das geht nicht, jedenfalls nicht ohne tiefen Eingriff in die Verfassung; man müsste dem Artikel 16a Grundgesetz dann einen weiteren Absatz verpassen. Solche Basteleien sind nicht die große Lösung, sondern ein großes Problem.

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