Asyl:Gutscheine statt Taschengeld

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Innenminister Thomas de Maizière will geringere Barleistungen für Asylbewerber aus den Balkanstaaten - und erntet dafür sowohl Kritik als auch Lob aus den Reihen des Koalitionspartners SPD.

Von Jan Bielicki, München

In Deutschland ist der Himmel grau, das Wetter nass und kalt, an Schneeresten vorbei stapfen Menschen mit verpixelten Gesichtern zu einem Bus. Der wird sie zu einem Flugzeug bringen - das Video der Bundespolizei zeigt, wie abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden. "Vertrauen Sie keinesfalls auf Versprechungen", warnt eine Stimme aus dem Off vor Schleusern und wiederholt mehrmals, was zu befürchten hat, wer aus wirtschaftlichen Gründen auf Asyl in Deutschland hofft: Abschiebung, Wiedereinreiseverbot und eine dicke Rechnung für die Kosten des erzwungenen Rückflugs. Die Botschaft gibt es auf Albanisch, Serbisch, Bosnisch und Mazedonisch - sie richtet sich an Menschen aus den Balkanländern.

Die Asylsuchenden aus den sechs Nicht-EU-Staaten Südosteuropas standen am Wochenende im Zentrum der politischen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte eine europaweite Festlegung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten. Die EU-Staaten bräuchten in dieser Frage "gemeinsame Einschätzungen", sagte die Bundeskanzlerin am Sonntag im ZDF. Die Lage sei "extrem nicht zufriedenstellend". Merkel warb zudem für kürzere Asylverfahren in Deutschland: "Wir müssen alle Personalreserven versuchen zu mobilisieren." Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich in der Bild am Sonntag dafür aus, Albanien, Mazedonien und Kosovo als sichere Herkunftsstaaten einzustufen - schließlich suchten diese Länder die Annäherung an die EU und könnten "schon deshalb nicht gleichzeitig als Verfolgerstaaten behandelt werden". Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) plädierte dafür, Asylbewerbern vom Balkan weniger Geld zu geben. Stattdessen sollten sie Gutscheine, Fahrkarten und andere Sachleistungen erhalten. "Wir müssen das Sachleistungsprinzip bei ihnen so konsequent wie möglich anwenden", sagte Manfred Schmidt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Mit seiner Forderung, das sogenannte Taschengeld zu senken, will der Bamf-Präsident erreichen, dass Deutschland weniger attraktiv für Menschen wird, die aus wirtschaftlichen Gründen ins Land kommen und zu mehr als 99 Prozent nicht als Flüchtling anerkannt werden. "Das ist nötig, damit wir Platz haben für die wirklich Schutzbedürftigen", sagte er. Im ersten Halbjahr 2015 beantragten mehr als 80 000 Menschen aus den sechs Staaten des westlichen Balkans Asyl. Das war fast die Hälfte aller Zufluchtsuchenden. Als Flüchtlinge werden sie nur in wenigen Einzelfällen anerkannt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte kurz zuvor ankündigt, man werde sich "das Taschengeld genauer anschauen". Es geht dabei um die bis zu 143 Euro, die Asylbewerber pro Monat in bar erhalten. Das Geld ist für Kleidung und Hygieneartikeln gedacht. Bamf-Präsident Schmidt hält diese Bargeld-Leistung für einen der Gründe, warum es bei vielen Bewerbern vom Balkan einen "Drehtüreffekt" gebe: "Viele, die ausreisten, kamen nach kurzer Zeit wieder. Denn mit dem Geld von einem drei- oder viermonatigen Aufenthalt in Deutschland ließ sich das Leben im Herkunftsland neun oder zehn Monate lang bestreiten." Das Nettoeinkommen in Ländern wie Albanien und Mazedonien liegt laut nationalen Statistiken im Schnitt bei 350 bis 360 Euro im Monat.

Viele ausgereiste Bewerber "kamen nach kurzer Zeit wieder", sagt der Präsident des Bundesamts für Flüchtlinge: Asylsuchende im bayerischen Sonthofen. (Foto: AFP)

Aydan Özoğuz nennt den Vorschlag "ärgerlich" und spricht von "Scheinlösungen"

Aus den Kommunen bekam de Maizières Vorstoß Unterstützung. "Es sollte geprüft werden, ob das deutsche System zu viele Anreize bietet (z. B. Taschengeld, Ausreisevergütung)", heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Städte- und Gemeindetags zur Flüchtlingspolitik. Skeptisch äußerte sich dagegen Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Armin Laschet: "Ich kann vor Schnellschüssen nur warnen: Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgegeben, das Existenzminimum von Flüchtlingen sicherzustellen. Das müssen und werden wir tun", sagte er der Nordwest-Zeitung. Auch Aydan Özoğuz (SPD), die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, nannte de Maizières Vorschlag "ärgerlich". Es würden "Scheinlösungen im Sozialleistungsrecht propagiert", statt sich um die Beschleunigung der Asylverfahren zu kümmern.

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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