Asylpolitik:Die Sprücheklopfer von der CSU

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Herrmann erwog, Asylbewerber an den Gerichtskosten zu beteiligen, wenn deren Klage "offensichtlich unzulässig beziehungsweise unbegründet" sei. (Foto: dpa)

Der Bremer Asylskandal zeigt, was seriöse Politik zu leisten hat: ein Problem analysieren und lösen. Sie soll nicht Lösungen simulieren, wie es Bayerns Innenminister so gerne macht.

Kommentar von Detlef Esslinger

Was in der Bremer Filiale des Flüchtlings-Bundesamts passiert ist, ist weder typisch Asyl noch typisch Bremen. Wenn dort zwei Anwälte zusammen mit der Amtsleiterin und anderen Beamten "bandenmäßig" bewirkt haben (wie der Staatsanwalt formuliert), dass auch die ungerechtfertigtsten Asylanträge bewilligt wurden, so bestätigt dies lediglich die alte Erfahrung: Wo Missbrauch möglich ist, da wird es ihn eines Tages geben, in welchem Milieu und in welcher Gegend auch immer.

Niemand wird den Innenminister Seehofer drängen müssen, diese Vorkommnisse aufzuklären; bei der Autoindustrie mag die CSU gebremsten Ehrgeiz haben, beim Thema Asyl sicher nicht. Am Freitag war gut zu studieren, was seriöse Politik zu leisten hat - und was nicht: Sie soll ein Problem, das in Bremen, analysieren und lösen. Sie soll aber nicht Lösungen simulieren, wie es Seehofers Parteikamerad Herrmann, Innenminister daheim in Bayern, getan hat. Er erwog, Asylbewerber an den Gerichtskosten zu beteiligen, wenn deren Klage "offensichtlich unzulässig beziehungsweise unbegründet" sei.

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Das ist das Ergebnis eines Krisentreffens in Bremen. Zuvor wurde bekannt, dass die beschuldigten Anwälte offenbar 97 Prozent ihrer Asylfälle anerkannt bekamen.

Wie viele Fälle geben Herrmann Anlass, über derlei Schikanen zu sinnieren? Sein Ministerium teilt auf Anfrage mit, 2017 hätten die bayerischen Gerichte in 600 Urteilen (im Hauptsache-Verfahren) entschieden, dass sie offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet seien. Das beträfe sieben Prozent aller Klagen. Aber will Joachim Herrmann sich allen Ernstes deswegen auf den langen, alles andere als aussichtsreichen Weg machen, das Asylgesetz zu ändern? Dessen Paragraf 83b besagt: "Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben."

Das hat Herrmann wohl auf gar keinen Fall vor; er wollte halt ein Interview veranstalten, mit dem er es irgendwie in die Nachrichtenagenturen und ins Frühstücksfernsehen schafft. Was ja auch geklappt hat. Nachdem dies aber in den zurückliegenden Wochen ja nicht der erste erfolgreiche Versuch der CSU war - nachdem Horst Seehofer gesagt hat, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, nachdem Markus Söder das Kreuz verordnet hat, nachdem Alexander Dobrindt die "Anti-Abschiebe-Industrie" erfunden hat: Nach all dem liegt die AfD in den Umfragen immer noch bei 13 Prozent, konstant.

Die Frage ist, wie oft die CSU noch bis zur Landtagswahl am 14. Oktober ihr Heil in Äußerungen suchen wird, die eine Mischung sind aus Effekthascherei und Panikattacke? Aus den Wahlerfolgen von Populisten in Deutschland und anderen Ländern hat sie offensichtlich noch nicht gelernt, sie findet keinen Umgang mit ihnen. Im Sprücheklopfen sind Populisten jedoch immer besser: Weil sie ja niemand misst an ihrer Fähigkeit, Probleme zu lösen, weil sie ja nur der Prügel sind, mit dem man auf die seriösen Parteien einschlägt, können sie immer noch einen drauflegen. Kam der Staatsminister von der CSU am Freitagfrüh mit den Gerichtskosten, folgte der Vorsitzende der AfD drei Stunden später mit einem Tweet pauschal gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Dieser Wettbewerb ist für eine seriöse Partei nicht zu gewinnen. Ihr Markenkern kann nur sein, den Menschen die Dinge zu erklären und tatsächliche Probleme zu lösen.

Beim Thema Asyl hieße das in diesen Tagen: die Bande bekämpfen, die sich offenbar da oben in Bremen gebildet hat. Der CSU-Innenminister hat die Instrumente dazu, die Leute wollen sehen, dass er sie beherrscht. Dafür dürfen dann seine Mitstreiter gern das Gerede von der "Anti-Abschiebe-Industrie" lassen, mit dem sie den Leuten nichts als ein diffuses Unwohlsein bereiten - wegen dem sie dann aber nicht zum Dr. Dobrindt, sondern zum Prof. Meuthen gehen. Aber mit der Versuchung verhält es sich offenbar ähnlich wie mit Missbrauch: Überall wo sie möglich ist, da wird ihr nachgegeben.

© SZ vom 26.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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