Asyl-Begriffe:Von Dunkeldeutschland bis Wirtschaftsflüchtling

Asyl-Begriffe: Asylrecht - welche Begriffe gehören dazu?

Asylrecht - welche Begriffe gehören dazu?

(Foto: SZ.de)

Was verbirgt sich hinter "besorgten Bürgern" und wie war das mit den Smartphones? Die wichtigsten Begriffe der Flüchtlingsdebatte.

Von Hannah Beitzer

Arbeit

"Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg!" war ein beliebtes Argumentationsmuster von Fremdenfeinden in der Asyldebatte der neunziger Jahre. Heute hingegen hört man weit häufiger: "Die sitzen den ganzen Tag nur rum und kriegen alles vorne und hinten reingeschoben." Zum Beispiel ->Smartphones. Fakt ist: In den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts dürfen Flüchtlinge nicht arbeiten. Danach brauchen sie eine Zustimmung der Ausländerbehörde. Allerdings haben Flüchtlinge in der Regel einen "nachrangigen Zugang" zum Arbeitsmarkt, das heißt: Die Bundesanstalt für Arbeit prüft, ob es nicht einen ähnlich geeigneten Bewerber aus EU-Staaten gibt. Die sogenannte Vorrangprüfung entfällt nach 15 Monaten Aufenthalt, sie gilt auch nicht bei Praktika und Ausbildung sowie bei Berufen, in denen stark nach Fachkräften gesucht wird - zum Beispiel Ärzte, IT-ler oder Ingenieure.

Asylmissbrauch

Von "massenhaftem Asylmissbrauch" oder "Asylbetrug" ist in der deutschen Debatte schon seit den Achtzigerjahren die Rede. Tatsächlich setzt das deutsche Asylrecht enge Grenzen, so dass viele Anträge von Flüchtlingen nicht bewilligt werden. In den ersten Monaten 2015 war es ungefähr die Hälfte. Aber ist es richtig, bei einer Ablehnung von "Asylmissbrauch" zu sprechen? Kritiker wenden ein, dass Asyl ein Grundrecht sei. Jeder Mensch habe das Recht, einen Antrag zu stellen.

Asylkritiker/Heimgegner/besorgte Bürger

In Deutschland protestieren immer wieder Menschen gegen Flüchtlingsheime. Sie bezeichnen sich selbst gern als "Asylkritiker" - ein Begriff, den viele Medien inzwischen meiden. Wer von "Asylkritikern" statt Fremdenfeinden spricht, verschaffe rechten Pöblern einen legitimen Platz in der Debatte, der ihnen nicht zustehe. Zudem sei Asyl ein Grundrecht, das nicht in Abrede gestellt werden könne. Noch harmloser wirken die Begriffe "Heimgegner" und "besorgte Bürger". Ersteren ist es wichtig, nicht gegen Flüchtlinge, sondern gegen ein konkretes Heim zu sein. Letztere wollen sich gar nicht so recht festlegen, sondern allgemeinere Ängste zum Ausdruck bringen.

Asyl

Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist in Deutschland in Artikel 16a, Absatz 1 Grundgesetz verankert. Das deutsche Asylrecht wird von Flüchtlingsunterstützern harsch kritisiert. Es war Anfang der Neunzigerjahre nach rechtsextremen Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte im Zuge des sogenannten Asylkompromisses verschärft worden. Danach ist das Asylrecht zum Beispiel eingeschränkt für Menschen, die über ->sichere Drittstaaten einreisen oder aus -> sicheren Herkunftsstaaten kommen. Die Anerkennung als Flüchtling basiert in Deutschland auf der ->Genfer Flüchtlingskonvention. In Deutschland kann außerdem sogenannter subsidiärer Schutz gewährt werden, wenn einer Person im Heimatland Folter oder unmenschliche Behandlung, die Todesstrafe oder eine konkrete Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit drohen (So funktioniert das Asylverfahren).

Aufenthaltsgesetz

In Deutschland regelt das Aufenthaltsgesetz die Ein- und Ausreise und den Aufenthalt von Ausländern, sofern sie nicht aus einem EU-Staat kommen. Es sieht zwei Aufenthaltstitel vor, nämlich die Niederlassungserlaubnis (unbefristet, unabhängig vom Zweck des Aufenthalts) und die Aufenthaltserlaubnis (befristet, in Abhängigkeit von einem Aufenthaltszweck erteilt). Das Asylverfahren selbst regelt das Asylverfahrensgesetz. Für die Dauer des Verfahrens erhalten Asylbewerber demnach eine Aufenthaltsgestattung.

Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre und eine Arbeitserlaubnis. Sofern sich die Bedingungen in ihrem Heimatland nicht ändern, kann ihnen der Staat nach drei Jahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis gewähren. Wird der Asylantrag abgelehnt, erfolgen eine Aufforderung zur Ausreise und eine Abschiebungsandrohung, gegen die ein Flüchtling jedoch Widerspruch einlegen kann. Oft dauert es lange, bis eine Abschiebung tatsächlich vollzogen wird. In bestimmten Fällen kann die Abschiebung ausgesetzt werden, zum Beispiel wenn ein Mensch krank ist oder keinen gültigen Reisepass hat. Er erhält dann eine Duldung.

Dublin-Verfahren

Im Dublin-Verfahren wird der für die Prüfung eines Asylantrags zuständige Staat festgestellt. Die Verordnung "Dublin III" umfasst neben den EU-Staaten noch Island und Norwegen. Auch mit der Schweiz gibt es ein entsprechendes Abkommen. Demnach ist in der Regel der Staat für ein Asylverfahren zuständig, den ein Flüchtling zuerst betreten hat. Wenn nicht innerhalb eines Jahres nachgewiesen wird, welcher das war, liegt der Fall wieder bei dem Staat, in dem der Flüchtling Schutz beantragt hat. Bei Asylbewerbern, die ohne Visa einreisen dürfen (wie etwa die Bürger aller Balkanstaaten außer Kosovo), führt der Staat das Verfahren durch, in dem der Antrag gestellt wurde. Das erklärt die hohen Verfahrenszahlen in Deutschland, das im Herzen Europas eigentlich umgeben ist von Dublin-Staaten.

Dunkeldeutschland

Von einem "Dunkeldeutschland" der "Brandstifter und Hetzer" sprach Bundespräsident Joachim Gauck angesichts der jüngsten Anschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen und Baden-Württemberg. Inzwischen kommt es in Deutschland fast täglich zu Anschlägen auf Flüchtlingsheime, vor allem im Osten und Süden des Landes. 202 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gab es im ersten Halbjahr 2015. Dass Gauck ausgerechnet den Begriff "Dunkeldeutschland" wählt, hat jedoch auch Kritik hervorgerufen. Denn ihn benutzten zur Wendezeit vor allem Westdeutsche, um sich abwertend über die neuen Bundesländer zu äußern. Das suggeriere, dass Rassismus und rechtsextreme Gewalt vor allem ein ostdeutsches Phänomen seien, finden Kritiker. Was laut Statistik in dieser Absolutheit nicht stimmt - auch wenn die neuen Bundesländer, darunter ->Sachsen, besonders hervorstechen.

Flüchtlingswelle

Mit 800 000 Flüchtlingen rechnet Bundesinnenminister Thomas de Maizière 2015. Allein im Juli seien nahezu 83 000 Menschen nach Deutschland eingereist. Die Prognose für 2015 liegt damit weit über dem bisherigen Höchststand aus dem Jahr 1992, als 440 000 Asylanträge gestellt wurden. Viele sprechen daher von einer Flüchtlingswelle. Der Begriff steht inzwischen in der Kritik. Er lasse an eine unaufhaltsame Naturkatastrophe denken, nicht an Menschen in Not, die in einem fremden Land Schutz suchen.

Kriminalität, Smartphone, Willkommenskultur

Genfer Flüchtlingskonvention

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist ein internationales Abkommen aus dem Jahr 1951, das festlegt, welchen Schutz politisch verfolgte Flüchtlinge in Anspruch nehmen können. Demnach ist ein Flüchtling eine Person, die "aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder besitzen würde, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will".

Internet

Eine große Rolle in der Debatte spielt die Frage: Wie umgehen mit der Hetze im Internet? Forscher warnen, dass Gewalt gegen Flüchtlinge nicht spontan entstehe, sondern von rechtsextremen Gruppen im Netz akribisch vorbereitet werde. Organisierte Netzwerke hätten sich online gebildet und koordinierten Anschläge und Demonstrationen wie kürzlich im sächsischen Heidenau. Bestürzt sind viele auch über Hetzkommentare in sozialen Medien. Hier steht insbesondere Facebook in der Kritik, nicht entschieden genug gegen Rechte vorzugehen.

Kriminalität

In Städten wie Bremen und Berlin betonen Polizei und Behörden, dass in der Umgebung von Flüchtlingsheimen keine erhöhte Kriminalität auftrete und dass es sich bei Behauptungen wie "Die klauen wie die Raben" größtenteils um Gerüchte handele. Demgegenüber stehen Berichte zum Beispiel von Massenschlägereien in Unterkünften. Unbestritten ist, dass es in Flüchtlingsunterkünften zu Konflikten kommt. Kein Wunder, sagen Experten. Diese seien schließlich massiv überfüllt. Von der Flucht traumatisierte Menschen unterschiedlichster Kulturen treffen auf engstem Raum aufeinander. Eine Trennung nach Religionen oder Herkunft, Gewaltpräventionsprogramme oder eine dezentrale Unterbringung gehören zu den Lösungsvorschlägen. Derzeit haben die Behörden allerdings alle Hände voll zu tun, überhaupt genügend Notunterkünfte zu bauen.

Sachsen

Der ostdeutsche Freistaat Sachsen ist zum Symbol für ->Dunkeldeutschland geworden. Immer wieder verüben Rechtsextreme dort Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, zuletzt schockierten die Öffentlichkeit besonders die Ausschreitungen in Heidenau, bei denen Neonazis Dutzende Polizisten verletzten. Doch der schlechte Ruf Sachsens reicht weiter zurück. Von 2004 an saß die NPD zehn Jahre lang im Landtag, 2014 scheiterte sie nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Dafür gelang der AfD mit knapp zehn Prozent der Einzug ins Länderparlament. In Sachsen hat auch die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung ihren Ursprung, mehr als 20 000 Menschen demonstrierten im Winter in Dresden gegen eine angebliche Islamisierung Deutschlands.

Sichere Drittstaaten

Diese Einschränkung des deutschen Asylrechts sorgt seit ihrer Einführung Anfang der neunziger Jahre für Kritik: Wenn ein Flüchtling über einen sicheren Drittstaat einreist, erhält er in Deutschland kein Asyl. Sichere Drittstaaten sind die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Norwegen und die Schweiz - also im Grunde alle Nachbarn Deutschlands. Für den Umgang mit Flüchtlingen, die über sichere Drittstaaten nach Deutschland kommen, gilt die Dublin-III-Verordnung der EU.

Sichere Herkunftsstaaten

Als sichere Herkunftsstaaten gelten der Bundesregierung zufolge Staaten, bei denen aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse die gesetzliche Vermutung besteht, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Für Kritik unter Flüchtlingsunterstützern hatte gesorgt, dass Ende vergangenen Jahres Serbien, Bosnien und Mazedonien, aus denen viele Flüchtlinge kommen, zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden - obwohl dort, so die Kritiker, Roma diskriminiert würden. Gerade wird diskutiert, ob Albanien, Kosovo und Montenegro ebenfalls sichere Herkunftsstaaten werden. Auch Ghana und Senegal gelten als sichere Herkunftsstaaten.

Smartphone

Das Smartphone ist zum Symbol geworden für ein Gefühl, das viele Fremdenfeinde umtreibt: Die Flüchtlinge bekommen alles - der deutsche Rentner und die Hartz-IV-Empfängerin kann sich das nicht leisten. Fakt ist: Ein Flüchtling bekommt zunächst neben einem Platz in einer Erstaufnahmeeinrichtung und Sachleistungen wie Essen und Kleidung ein Taschengeld von 143 Euro monatlich. Später kommen statt der Sachleistungen noch 216 Euro hinzu. Insgesamt verfügt der Flüchtling dann über 359 Euro - etwas weniger als der Hartz-IV-Satz von 399 Euro. Und das Smartphone? Ist häufig der einzige nennenswerte Besitz, den Flüchtlinge haben, die einzige Möglichkeit, mit der Familie in Kontakt zu bleiben. Häufig geschieht das über das Internet, via Skype, Whatsapp oder Viber und über das W-Lan in Unterkünften, Cafés oder an Bahnhöfen.

Willkommenskultur

Von einem "hellen Deutschland" im Gegensatz zum ->Dunkeldeutschland sprach Bundespräsident Joachim Gauck. Er meinte damit die vielen Ehrenamtlichen, die sich für Flüchtlinge engagieren. Tatsächlich heißt es immer wieder von Behörden und Politikern, dass die Herausforderungen ohne ehrenamtliches Engagement kaum zu bewältigen wären. Menschen sammeln Kleidung, geben Deutschkurse, helfen bei Behördengängen oder sagen einfach nur: Willkommen.

Wirtschaftsflüchtlinge

Die meisten Flüchtlinge werden in ihrer Heimat gar nicht verfolgt, sondern wollen hier nur an Geld kommen - so lautet ein wiederkehrendes Argument rechter Parteien und Gruppierungen. Auch die großen Volksparteien, allen voran die Union, warnt schon seit Jahrzehnten immer wieder vor den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen. Damit sind meistens junge, männliche Flüchtlinge aus Afrika und Südosteuropa gemeint. Denn auch wenn Armut schrecklich ist - ein Grund für Asyl ist sie laut dem deutschen ->Asylrecht nicht. Gegen die These von der Armut als Hauptursache der Flucht spricht, dass in den vergangenen Monaten die Hälfte aller Asylanträge bewilligt wurde. Einige Kritiker des Begriffs fordern, auch Armut und den Wunsch, die Familie zu versorgen, als Fluchtgrund anzuerkennen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: