Asien:Japan im Bündniskonflikt

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Premierminister Abe pflegt die Beziehungen zu Russland sorgfältig. Zugleich trägt er aber dennoch die Sanktionen der G-7-Länder mit.

Von Ronen Steinke

Wenn Japans Premier Shinzō Abe Geburtstag hat, ruft Russlands Präsident Wladimir Putin ihn an und schickt ein Geschenk. Umgekehrt hält Abe es genauso. In seinem ersten Amtsjahr traf er keinen anderen Staats- oder Regierungschef öfter als Putin, und auch im zurückliegenden Jahr, das vom Ukraine-Konflikt geprägt war, ist der Kontakt der beiden Politiker eng geblieben. Tokio erwartet Putin schon bald zum nächsten Arbeitsbesuch. Vermutlich im Herbst werde es so weit sein, hieß es zuletzt.

Ein Blick nach vorn, auf den nächsten G-7-Gipfel. Japans Premier Abe wird dann der Gastgeber sein, als Nachfolger Angela Merkels, und allein schon damit drängt sich bei manchen Beobachtern die Frage auf, ob der tiefste Punkt im Verhältnis zwischen Putin und den G 7 vorerst schon in der Vergangenheit liegt.

Aus ostasiatischer Perspektive gibt es viel, was man mit Russland verbindet; die Ukraine steht bei weitem nicht an Platz Eins. Japans Premier nennt klar seine Präferenz. "Syrien, Iran, Nordkorea: Es gibt viele wichtige politische Fragen, bei denen wir Russland als konstruktiven Partner benötigen", sagte Abe in Deutschland. "Eine Konfrontation ist kein Grund, einen Dialog abzubrechen. Sondern gerade weil es in unserem Verhältnis Herausforderungen gibt, suchen wir den Dialog."

Nach Deutschland ist nun Japan an der Reihe, den Vorsitz der G 7 zu übernehmen. Es ist das einzige Mitglied der G 7, das nicht auch Mitglied der Nato ist. Anders als seine europäischen Kollegen reist Japans Regierungschef Abe ohnehin regelmäßig zu Gipfelrunden etwa der Asean- und Apec-Staaten, bei denen er Putin wie gewohnt weiter als Partner begegnet.

Wenn Shinzō Abe im Sommer 2016 seine G-7-Kollegen im japanischen Feriengebiet Shima empfängt, einer Welt aus lauter kleinen Inseln vor der südöstlichen Küste zum Pazifik, dann bietet ihm dies die perfekte Kulisse, um die Gäste auf ein Thema aufmerksam zu machen, das den Japanern mindestens so dringend ist wie den Deutschen der Klimaschutz.

Im Pazifik heizt sich seit geraumer Zeit ein Revierkampf auf, bei dem es um strategischen Einfluss, militärische Vorherrschaft und auch um Fischereirechte und Bodenschätze geht. Große Mächte ringen um teils winzige Inseln, weil diese die Schlüssel zu wertvollen Rechten im Meer sind. Hauptrivalen sind Japan und China, das im Südchinesischen Meer quasi in den Ozean hinein expandiert. Zwar führt Tokio auch mit Russland einen Inselstreit. Der Status der Kurilen ist nach dem Zweiten Weltkrieg nie abschließend geklärt worden. Russland und Japan haben sich bis heute nicht auf einen Friedensvertrag einigen können. Mindestens genauso wichtig ist für Japan aber die Frage, auf welcher Seite Russland im Konflikt mit China steht. Putin lässt zwar Energie zu bevorzugten Konditionen an China verkaufen, aber Russland beobachtet mit Sorge den chinesischen Bevölkerungsdruck über seine Ostgrenze und die Begehrlichkeiten nach seinen Ressourcen.

Noch nie hat es einen japanischen Regierungschef in die Ukraine verschlagen - bis zum vergangenen Samstag. Auf seinem Hinflug zum G-7-Gipfel nach Deutschland legte Japans Premier Abe demonstrativ einen Zwischenstopp in Kiew ein und sprach mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko - fast zwei Stunden lang, wie Abes Leute hinterher verbreiteten. Die wirtschaftlichen und politischen Verbindungen beider Länder sind nicht besonders intensiv. Wer wollte, konnte auch daran denken, als ein Abe-Vertrauter am Rande des Gipfeltreffens auf eine Frage nach der europäischen Griechenland-Krise angenehm ehrlich antwortete: "Das ist dann doch recht weit entfernt von uns."

Abes Abstecher nach Kiew, so erklärte der japanische Premier, unterstreiche die Solidarität Japans mit dem kriegsgeplagten Land. Im Ukraine-Konflikt müssten sich beide Seiten an das geltende Recht halten und Streitigkeiten friedlich beilegen. Das ist auch Abes Leitmotiv im Umgang mit China. Vor allem aber unterstrich der Besuch in Kiew das Bemühen Abes, aus seiner Sonderrolle innerhalb der G 7 nicht vollends in eine Außenseiterrolle zu geraten. Deswegen trägt er auch klaglos die Sanktionen mit.

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