Japan:Der Zaungast will wieder mitreden

Japans Ministerpräsident zu Besuch in Jerusalem

Pjöngjang verhandelt mit Seoul, Peking, Washington und Moskau - nur mit Tokio nicht.

(Foto: dpa)
  • Japans Premier Shinzo Abe empfängt am Mittwoch in Tokio seinen chinesischen Kollegen Li Keqiang und Moon Jae-in, den Präsidenten Südkoreas.
  • Bei diesem Dreiergipfel soll es vor allem um Nordkorea gehen, so der japanische Ministerpräsident.
  • Bislang steht Japan in der Nordkorea-Politik im Abseits.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Es ist wohl der Versuch, Einfluss zurückzugewinnen. Japans Premier Shinzo Abe empfängt am Mittwoch in Tokio seinen chinesischen Kollegen Li Keqiang und Moon Jae-in, den Präsidenten Südkoreas. Bei diesem Dreiergipfel gehe es vor allem um Nordkorea, so der japanische Ministerpräsident. Er erwarte "eine gründliche Diskussion, wie wir Nordkorea auf den rechten Weg bringen können, um die Fragen der Verschleppten, um die Raketen und darum, das Atomprogramm zu lösen und eine helle Zukunft zu schaffen."

Mit diesen Worten verschleiert Abe, dass Japan in der Nordkorea-Politik im Abseits steht. Er klatschte am lautesten, als US-Präsident Donald Trump Nordkoreas Diktator Kim Jong-un mit einer "blutigen Nase" drohte und prahlte, er habe den größeren Atomknopf. Und er beharrt weiter auf "maximalem Druck", der auf Pjöngjang ausgeübt werden solle.

Trumps Einwilligung, sich mit Kim an einen Tisch zu setzen, traf Abe völlig unvorbereitet. Inzwischen verhandelt Pjöngjang mit Seoul, Peking, Washington und Moskau, also mit allen anderen Teilnehmern der Sechsergespräche zur Atomabrüstung Nordkoreas im vergangenen Jahrzehnt. Nur mit Tokio nicht.

Kim soll Moon beim innerkoreanischen Gipfel versichert haben, er sei jederzeit bereit, Abe zu treffen. Aber Nordkoreas Parteizeitung Rodong Sinmun griff Japan nun an, es müsse seinen Ton ändern, vorher sei Pjöngjang nicht zur Diplomatie bereit. Aber Tokio wolle halt seinem amerikanischen Meister gefallen.

Abe behauptet, eines der wichtigsten Anliegen seiner Politik sei es, jene 17 Japaner heimzuholen, die vor etwa 40 Jahren von nordkoreanischen Agenten nach Pjöngjang entführt wurden und noch dort leben sollen. Abes Mentor, der damalige Premier Junichiro Koizumi, hatte im Jahr 2002 von Kims Vater Kim Jong-il die Freilassung von fünf Verschleppten erwirkt. Der ältere Kim gab die Entführung weiterer Japaner zu, diese seien aber nicht mehr am Leben. Das hat Japans Regierung nie akzeptiert. Aber alle Versuche sind gescheitert, ihren Verbleib zu klären. Dennoch schürt Abe die Hoffnung, sie kehrten heim.

Abe steht wegen Skandalen innenpolitisch unter Druck

Koizumi hatte mit Kim damals auch eine Normalisierung der Beziehungen vereinbart. Er wollte Japans Wirtschaft für den Moment einer Öffnung Nordkoreas einen Vorsprung sichern. Doch auf Koizumi folgte Abe, der mit seiner Fixierung auf die Verschleppten sogar die Sechsergespräche zu blockieren suchte. Die Washington Post bezichtigte ihn damals der "Doppelzüngigkeit". Abe beschwere sich zu Recht über Nordkorea, aber er sei nicht bereit, "die Verantwortung für die Verschleppung, Vergewaltigung und Versklavung" von "200 000 Frauen aus Korea, China, den Philippinen und anderer Länder Asiens" zu akzeptieren, an der "japanische Soldaten teilnahmen", so das Blatt.

Abe steht wegen Skandalen innenpolitisch unter Druck. Nun sieht er auch seine Felle in der Außenpolitik davonschwimmen. Trump hat ihn mehrmals enttäuscht, zuletzt bei den neuen Stahlzöllen; Russland hält ihn im Territorialstreit hin. Und in der Entwicklung auf der koreanischen Halbinsel ist Abe nur Zaungast.

Als der Dreiergipfel an diesem Mittwoch - noch vor Kims Charme-Offensive - geplant wurde, sollte es vor allem um Wirtschaft gehen, nicht um Nordkorea. Tokio, Seoul und Peking wollen ihre Beziehungen verbessern. Wieder einmal. Ihre Volkswirtschaften sind eng integriert, teilweise enger als jene einiger EU-Staaten. Aber die Politiker reden kaum miteinander, sie verkrallen sich zur Legitimierung ihrer Macht in die Geschichte.

Seit Japan sich mit China und Südkorea in den 1970er-Jahren formell ausgesöhnt hat, gab es zahlreiche Versuche, ihrer wirtschaftlichen Verflechtung einen politischen Rahmen zu geben. Sie sind alle gescheitert. 2008 trafen sich die drei Regierungschefs in Fukuoka zu ihrem ersten Dreiergipfel; sie vereinbarten, das Treffen jährlich zu wiederholen. Auch über ein dreiseitiges Freihandelsabkommen wurde verhandelt. Ein Jahr später träumte Japans Premier Yukio Hatoyama sogar von einer ostasiatischen Gemeinschaft nach dem Muster der EU. Aber dann kam in Tokio Shinzo Abe an die Macht, in Peking Xi Jinping und in Seoul Park Geun-hye; alle drei versuchten, jeder auf seine Art, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sie ließen vier ihrer letzten fünf "alljährlichen" Dreiergipfel ausfallen.

Aufgeschreckt von Trump, der mit Handelsschranken droht und an alten Gewissheiten rüttelt, haben sich Tokio und Peking schon im vorigen Jahr angenähert. Am Freitag telefonierten Abe und Xi zum ersten Mal überhaupt - auf Bitte Tokios. Abe möchte "zukunftsorientierte Beziehungen", mit dieser Formel will er historische und territoriale Stolpersteine umschiffen. Aber auch die Wirtschaft bietet Konfliktpotenzial. Abe, Li und Moon dürften kaum konkrete Entscheidungen treffen, sondern einen Aufbruch zur besseren Nachbarschaft markieren. Als Symbol bringt Chinas Premier Li seinem Gastgeber dafür zwei Nipponibisse mit; der in Japan heimische Vogel wird hier verehrt, ist aber seit 2005 praktisch ausgestorben.

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