Ashton in Iran:Hoffnung in üppiger Blüte

EU foreign policy chief begins landmark Iran visit

Mit Wertschätzung empfangen: Die EU-Außenbeauftrage Catherine Ashton bei Irans Präsident Hassan Rohani

(Foto: dpa)

Die EU-Außenbeauftragte Ashton besucht Teheran - und begegnet überall Menschen, die sich vor allem eines sehnlich wünschen: Dass bessere Zeiten anbrechen mögen.

Von Paul-Anton Krüger, Teheran

In den Bergen im Norden von Teheran erobert sich der Frühling jeden Tag ein Stück Natur vom Schnee zurück. Nurmehr die Gipfel sind weiß, während in Irans Hauptstadt hier und dort schon Mandelbäume in üppig weißer Blüte stehen. In den Straßen von Tajrish, einem wohlhabenden Viertel im Norden der Stadt, bieten Händler in den Straßen nahe des beliebten Schreins von Imam-Sadeh Saleh und im lokalen Basar Fisch feil, vom Golf und aus dem kaspischen Meer.

Es ist die traditionelle Speise zum persischen Neujahrsfest Nouruz, das in zehn Tagen bevorsteht. Die chronisch verstopften Straßen der 14-Millionen-Metropole sind zu Wochenbeginn am Samstag noch voller als sonst, denn schon jetzt machen die Teheranis ihre Einkäufe für das wichtigste Fest des Jahres.

Süßigkeiten und Gebäck haben Konjunktur, denn während der Feiertage besuchen die Iraner ihre Verwandten. Aber auch bunte Zierfische und grüne Weizenkeimlinge sind gefragt. Sie gehören zu den Haft-Sin, jenen sieben Gegenständen, die mit dem persischen Buchstaben S beginnen, und auf keinem Nouruz-Tisch fehlen dürfen.

Manche Iraner kaufen auch neue Kleidung, und bei vielen ist ein Hausputz Teil der Vorbereitungen. Die Stadt ist voller Energie, es mischt sich Vorfreude auf das Fest mit einer Aufbruchstimmung, und der Besuch der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton befeuert diese noch: Er lässt die Menschen mehr noch hoffen, dass bessere Zeiten anbrechen.

Drei Dutzend iranische Fernsehteams

Seit Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, Ashtons Gastgeber an diesem Morgen, im November mit seinen Kollegen aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland in Genf ein Interimsabkommen im Atomstreit geschlossen hat, sind zwar ein gutes halbes Dutzend europäischer Außenminister nach Teheran gereist.

Der Besuch der europäischen Chefdiplomatin hat aber dennoch eine herausgehobene Bedeutung. Das lässt sich daran ablesen, dass gut drei Dutzend iranische Fernsehteams ihre Kameras unter den mächtigen Kronleuchtern im Pressesaal des Außenministeriums aufgebaut haben, doppelt so viele wie üblich.

Mehr noch aber zeugen Ashtons Termine von der Wertschätzung, die ihr hier entgegengebracht wird. Vom Außenministerium fährt ihre Wagenkolonne direkt zum Amtssitz von Präsident Hassan Rohani. Am Nachmittag trifft sie noch den Sprecher des Parlaments, Ali Laridschani, den Chef des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, Ali Schamkhani, Vizeadmiral der Revolutionsgarden und Verteidigungsminister unter dem reformorientierten Präsidenten Mohammed Chatami, sowie Ali Akbar Velajati, einst Außenminister und heute der außenpolitische Berater des Obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei. Die Islamische Republik bietet ihr gesamtes Spitzenpersonal auf für den ersten bilateralen Besuch eines EU-Außenbeauftragten, seit Javier Solana 2008 in Teheran war.

Darin liegt einerseits ein großer Wert von Ashtons Reise. Denn auch wenn sie ausdrücklich nicht Teil der Nuklearverhandlungen ist, will sich Ashton natürlich aus erster Hand ein Bild davon machen, wie die miteinander konkurrierenden Machtzentren des Regimes zu den Gesprächen über ein abschließendes Abkommen im Nuklearstreit stehen, die am 17. März in Wien in die zweite Runde gehen.

Anschein von Vereinnahmung vermeiden

Grundsätzlich gibt es "Unterstützung von allen Seiten" für die Verhandlungen, wie sie später berichten wird. Auch will sie ausloten und aufzeigen, welche Möglichkeiten für Kooperation eine Lösung der Atomfrage eröffnen könnte, sei es bei der Stabilisierung Afghanistans und der Bekämpfung des Drogenschmuggels aus dem Nachbarland, der Iran mit einer immensen Welle von Opium und Heroin überschwemmt, oder beim Thema Menschenrechte, bei den Versuchen, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden oder einem möglichen Ausbau der diplomatischen Beziehungen zur EU.

Andererseits muss sie jeden Anschein vermeiden, dass sie sich von der iranischen Führung vereinnahmen lässt, auch wenn die Reise mit den EU-Staaten und den USA abgestimmt ist. Sie nutzt die kurze Pressekonferenz mit Sarif im Außenministerium, um in Erinnerung zu rufen, dass vieles - wenn nicht alles - mit Blick auf eine weitere Annäherung zwischen der EU und Iran im Konjunktiv gedacht werden muss, solange es keine Lösung in der Nuklearfrage gibt.

"Dieses Interimsabkommen ist wichtig", sagt sie, "aber nicht so wichtig, wie das abschließende Abkommen, über das wir gerade verhandeln." Und sie macht klar, dass diese Gespräche "schwierig und herausfordernd" werden und "es keine Garantie dafür gibt, dass wir einen Erfolg erzielen werden".

Ashton trifft engagierte Frauen

Sarif schob dieser Äußerung eilig - und ein wenig genervt - hinterher, dass Iran seinen Teil der Vereinbarungen erfüllt habe und eine Lösung noch vor Ablauf der sechs Monate erzielt werden könne, wenn alle Seiten mit gutem Willen an den Verhandlungstisch kommen. "Iran ist entschlossen ein Abkommen zu erreichen", sagt er. Iran werde aber "nur eine respektvolle Lösung akzeptieren, die den Rechten des iranischen Volkes gerecht wird".

Auch sein Land habe ein Interesse daran, jeden Zweifel auszuräumen, dass das Atomprogramm anderen als allein friedlichen Zwecken dienen könnte. Was sich heraushören lässt aus diesen Äußerungen ist, dass es noch erhebliche Unterschiede gibt mit Blick auf Fragen wie und welche Zahl von Zentrifugen zur Uran-Anreicherung Iran behalten kann oder wie die internationalen Inspektionen der Nuklearanlagen angelegt sein müssen.

Ashton hat sich als umsichtige Unterhändlerin in diesen Fragen großen Respekt erarbeitet, sowohl bei den Ministern der UN-Vetomächte als auch bei Sarif. Sie will ihren Besuch aber nicht auf diese Frage reduziert wissen. Auch deswegen beginnt sie ihren Besuch am Samstag, dem Weltfrauentag, mit einem Treffen mit sieben iranischen Frauen, die sich furchtlos für die Rechte von Frauen in der islamischen Gesellschaftsordnung engagieren, die für Meinungs- und Pressefreiheit streiten und für die Einhaltung der Menschenrechte. Mehr als eineinhalb Stunden nimmt sich Ashton Zeit dafür, und die immer kontrolliert wirkende Diplomatin lässt durchblicken, dass sie die Geschichten der Frauen berührt haben.

Sie spricht mit Nargess Mohammadi, einer Journalistin und Aktivistin, die einst eng mit Shirin Ebadi zusammenarbeitete, und derzeit nur auf Kaution in Freiheit ist. Sechs Jahren Haft drohen ihr, wenn das Urteil wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit sowie Propaganda gegen das Regime vollstreckt wird.

Hoffnungen - und Rückschläge

Und mit Gohar Beheshti, deren Sohn Sattar ein Blogger war, der sich für Meinungsfreiheit einsetzte - und 2012 im berüchtigten Evin-Gefängnis unter bis heute ungeklärten Umständen umkam. Bei ihren Gesprächen mit Regierungsvertretern spart Ashton das Thema nicht aus: Sie will wissen, ob die Iraner bereit sind, darüber zu diskutieren, und Präsident Rohani zeigt sich offen.

Von diesen Frauen hört sie ebenfalls von der Hoffnung, dass sich etwas ändern wird in Iran, sie hört von Anzeichen, dass sich etwas ändert, dass es wieder mehr Freiheiten geben könnte. Sie hört aber auch von Rückschlägen. Erst vor drei Wochen ist eine Zeitung geschlossen worden wegen eines unbotmäßigen Leitartikels - was Präsident Rohani am Wochenende immerhin deutlich kritisierte.

Hoffnung ist ein Wort, das man sehr oft hört in diesen Tagen in Iran. Die Menschen im Basar sagen, sie hoffen darauf, dass die Lebensmittel wieder billiger werden, dass ihre Leben wieder einfacher wird. "Wir sind längst noch nicht wieder da, wo wir vor vier oder fünf Jahren waren", sagt eine Frau, "da wo wir waren, als die Sanktionen kamen und Ahmadinedschad und seine korrupten Freunde reich geworden sind".

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