Arznei:Rezept nach Hautfarbe

Ein Medikament gegen Herzschwäche könnte das erste Arzneimittel nur für Schwarze werden.

Von Felicitas Witte

Die Ergebnisse waren zunächst enttäuschend. Eigentlich sollte das neue Medikament Bidil Menschen mit Herzschwäche helfen. Die Theorie und die früheren Daten sprachen dafür. Im Praxistest aber half das Medikament kaum. Nur weil ein paar pfiffige Statistiker genauer hinschauten, erkannten sie, dass Bidil einigen Patienten dennoch viel Gutes tun konnte: jenen mit schwarzer Hautfarbe.

Tatsächlich bestätigte sich dies in einer weiteren Studie, an der ausschließlich Afroamerikaner teilnahmen. Nun könnte das Mittel Bidil von der Firma Nitromed das erste Arzneimittel werden, das ausschließlich für eine bestimmte ethnische Gruppe zugelassen ist.

Das Präparat, das schon in den 80er-Jahren untersucht wurde, enthält zwei Wirkstoffe, die auf unterschiedliche Weise die Kraft des Herzens steigern können: Isosorbiddinitrat weitet die Gefäße, indem es im Körper das Gas Stickstoffmonoxid (NO) freisetzt; dadurch muss das Herz weniger stark pumpen. Der zweite Wirkstoff, Hydralazin, führt ebenfalls zur Gefäßerweiterung und verhindert, dass NO schnell deaktiviert wird. Davon scheinen besonders Farbige zu profitieren, denn bei ihnen wird NO im Körper schneller unwirksam.

Vereinigung Schwarzer Kardiologen ist begeistert

Dass Bidil Farbigen hilft, zeigte eine Studie an mehr als 1000 Afro-Amerikanern , die in 170 Zentren in den USA behandelt wurden. Sie erhielten entweder Bidil oder ein Scheinpräparat zusätzlich zu ihrer herkömmlichen Therapie. Im März dieses Jahres nahm sich eine unabhängige Organisation für die Sicherheit in klinischen Studien, das Data Safety and Monitoring Board, die Daten für eine Zwischenanalyse vor. Das Ergebnis überraschte nicht nur die Gutachter: Das Medikament wirkte so gut, dass die Studie Ende Juli gestoppt wurde. Der Hersteller hofft nun, dass das Präparat Anfang 2005 auf den Markt kommen kann.

Die Vereinigung Schwarzer Kardiologen in den USA ist begeistert. Ihr Präsident Malcolm Taylor fordert, Afro-Amerikaner in klinischen Studien grundsätzlich stärker zu berücksichtigen. Kritiker befürchten dagegen eine neue Rassendiskussion: Wenn Patienten je nach ethnischer Zugehörigkeit anders behandelt werden, könnte dies Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe stigmatisieren.

Nur wenige Medikamentenstudien sind derzeit darauf ausgerichtet, den Einfluss der ethnischen Abstammung auf die Wirkung des getesteten Präparats zu untersuchen. In den USA soll das anders werden: Vor einem Jahr erließ die Arzneimittelzulassungsbehörde FDA eine Richtlinie, nach der die ethnische Zugehörigkeit in jede klinische Studie mit aufgenommen werden soll. Und auch in Deutschland wird die ethnische Zugehörigkeit der Studienteilnehmer inzwischen dokumentiert.

"Die Registrierung gehört standardmäßig zu anderen demographischen Daten wie Alter oder Geschlecht der Patienten dazu", sagt Rainer Beier vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. "Dabei richten wir uns nach der Vorgabe der europäischen Arzneimittelbehörde Emea." Das heißt allerdings noch lange nicht, dass in europäischen Studien ein Einfluss der Rasse auf die Wirksamkeit eines Medikaments immer bemerkt würde. Dazu müsste die Studienplanung gezielt darauf ausgerichtet sein, sagt Norbert Victor vom Institut für Medizinische Biometrie der Universität Heidelberg. Ob sich das lohnen würde, bezweifeln Genetiker.

Eiweiße sind schuld

"Medikamente nach der Hautfarbe zu verschreiben, wäre grundfalsch", warnt Ivar Roots vom Institut für klinische Pharmakologie der Berliner Charité. Die Meinung teilt der Pharmakologe mit anderen Wissenschaftlern, die sich mit dem Einfluss der Gene auf die Wirkung von Medikamenten beschäftigen. Schon vor drei Jahren hat James Wilson vom University College London gezeigt, dass die Reaktion auf Medikamente eher auf genetische Marker zurückgeht als auf die Rasse. Er hatte 354 Briten aufgrund ihrer Herkunft in acht ethnische Gruppen eingeteilt und ihr Blut insgesamt auf 40 verschiedene Gene untersucht, die mit dem Stoffwechsel von Medikamenten im Körper zu tun haben.

Warum Menschen auf das selbe Medikament unterschiedlich reagieren, liegt meist an der unterschiedlichen Ausstattung ihres Körpers mit Eiweißen. Denn Eiweiße sind es, die Arzneien verstoffwechseln. Gene, die den Bauplan für die Enzyme liefern, können so verändert sein, dass ein Enzym gar nicht existiert, nur eingeschränkt funktioniert oder auch übermäßig aktiv ist. Wie es zu den Veränderungen an den Genen kommt, den so genannten Polymorphismen, ist nicht genau bekannt.

Man weiß aber, dass die veränderten Gene zu einer veränderten Reaktion auf Medikamente führen können. So fehlt 14 bis 20Prozent der Asiaten und drei Prozent der Europäer das Enzym CYP2C19, das das säurehemmende Medikament Omeprazol abbaut, das Menschen mit Magengeschwür verschrieben wird. Wenn CYP2C19 fehlt, wirkt Omeprazol stärker - und es drohen schwerere Nebenwirkungen.

"Allein nach der Hautfarbe zu dosieren, ist aber nicht richtig", sagt Ivar Roots. Auch CYP2C19 fehlt ja nicht allen Asiaten. Der Pharmakologe fordert daher, das genetische Profil der Patienten zu bestimmten, um Aussagen über die Medikamenten-Wirksamkeit zu bekommen. Schließlich betonen Genetiker, dass menschliche Rassen eigentlich gar keine sind. Genetisch unterscheiden sich zwei Weiße oft stärker als ein Weißer von einem Schwarzen.

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