Armut:264 000 Tonnen Lebensmittel

25 Jahre Tafeln

1993 wurde die erste Tafel in Berlin gegründet. Heute engagieren sich rund 60.000 ehrenamtliche Helfer bei 941 Tafeln.

(Foto: Annette Riedl/dpa)

Seit 25 Jahren gibt es in Deutschland Tafeln - selten standen sie so im Fokus wie zuletzt.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Die Aufregung war groß, als die Essener Tafel Ende Februar vorerst keine Ausländer mehr als Neukunden aufnahm. Der Anteil der Migranten unter den Hilfsbedürftigen sei zu groß geworden, hieß es, sie verdrängten Alleinerziehende und Ältere unter den Tafelkunden. Damals nährte der Fall Essen die ohnehin schwelende Armuts- und Hartz-IV-Debatte. Inzwischen ist es ruhiger geworden; insgesamt und auch in Essen, wo der Aufnahmestopp nach einiger Zeit wieder aufgehoben wurde. Jochen Brühl, Vorsitzender des Dachverbands Tafel Deutschland, machte am Montag in Berlin trotzdem noch einmal deutlich, wie sehr sie alle die Debatte "irritiert" habe. Es sei auf nur eine Tafel geschaut worden, und nicht auf die 940 anderen, wo es funktioniert habe, sagte Brühl anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Tafeln in Deutschland, auf das der Verband aufmerksam machen wollte.

1993 wurde die erste Tafel in Berlin gegründet; heute engagieren sich rund 60 000 ehrenamtliche Helfer bei 941 Tafeln mit mehr als 2000 Ausgabestellen. 24 Millionen Stunden ehrenamtliche Arbeit kämen so zustande, rechnet der Dachverband vor. Mehr als zwei Drittel der Helfer seien Senioren, jeder Fünfte sei selbst hilfsbedürftig. Unterstützt würden bis zu 1,5 Millionen Bedürftige mit Lebensmitteln, davon 30 Prozent Kinder. Besonders häufig vertreten unter den Tafelkunden sind nach Angaben von Tafel Deutschland Alleinerziehende und Migranten.

Die Lebensmittel, die von den Tafeln ausgegeben werden, stammen von Handelsketten, einzelnen Supermärkten, Bäckereien, Metzgereien und Lebensmittelherstellern; auch andere Unternehmen engagieren sich mit Geld- oder Sachspenden. 40 Prozent der Lebensmittel sind Obst und Gemüse, weitere 20 Prozent Backwaren. 264 000 Tonnen "einwandfreie, überschüssige" Lebensmittel kamen im vergangenen Jahr insgesamt zusammen; 60 000 Tonnen mehr als noch 2014. Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung stand - außer der Hilfe für die Armen - immer im Zentrum der Tafelmacher, auch bei der Gründung vor 25 Jahren. Heute kommen noch Projekte jenseits der Lebensmittelausgabe hinzu; etwa mit Kindern - von Hausaufgabenhilfe bis zu Kochkursen.

Brühl kritisierte, dass viele Tafeln sich alleingelassen fühlten - gerade rund um die Debatte über die Essener Tafel. Viele arbeiteten am Rande ihrer Belastungsgrenzen. "Die Lösung des Armutsproblems ist nicht die Aufgabe der Tafeln." Sie könnten nur "kleine, regionale Antworten" geben. Wenn aber das Thema Zuwanderung sogar zu einer Regierungskrise führen könne, "wie soll dann das Ehrenamt damit zurechtkommen?"

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