Asylstreit:Merkels redlichster Kritiker

1. Untersuchungsausschuss Anis Amri

Früher Direktor der Bundespolizei, jetzt Innenpolitiker im Bundestag: Armin Schuster, 57.

(Foto: dpa)
  • Der CDU-Politiker und Innenexperte Armin Schuster plädiert seit 2015 für schärfere Kontrollen und Zurückweisungen an der Grenze.
  • Obwohl er das Ziel der CSU teilt, lehnt er ihren Ton ab und hält die Aggression in der Debatte für gefährlich.

Von Stefan Braun, Berlin

Es war spät geworden an diesem verrückten Donnerstag. Armin Schuster sah groggy aus. Müde waren seine Augen; dazu kam ein Drei-Tage-Bart, der den 57-Jährigen in der Morgensonne forsch aussehen lässt, abends aber doch mit viel grau unterlegt ist. Stundenlang hatte er den Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz geleitet, nun sagte er: "So wie die CSU das macht, geht es gar nicht."

Schuster war und ist sauer auf die Bayern. Auch er hatte an jenem vorvergangenen Donnerstag viele Stunden in seiner Fraktion verbracht, dem Tag, an dem CDU und CSU getrennt tagten und sich der Streit um die Flüchtlingspolitik für alle sichtbar zugespitzt hat. "Ich weiß nicht, was die geritten hat", sagt Schuster. "Jetzt wird das schwer werden."

Zählt er zu den großen Verteidigern der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel? Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, der Innenexperte gehört seit 2015 zu jenen, die für schärfere Kontrollen und Zurückweisungen an der Grenze plädieren. Schuster ist ein Merkel-Kritiker der ersten Stunde und dafür in der CDU hart attackiert worden.

Eigentlich müsste Schuster aus dem Wahlkreis Lörrach-Müllheim ein Verbündeter der CSU sein. Aber die Attacken gegen die Kanzlerin, die sich nun Bahn brechen, hält er für unanständig. Die Aggressionen hält er für gefährlich.

Darüber hinaus kämpft er zwar für eine harte Linie, aber er findet es unredlich, dass andere behaupten, man hätte 2015 alles anders machen können, ohne ein Wort über die zwangsläufigen Folgen zu verlieren.

"Die große Mehrheit wollte im Herbst 2015 diesen Kurs"

Schuster ärgert sich vor allem über die Rechtspopulisten von der AfD, die nach Grenzschließungen schreien, aber nie sagen, was das für eine Exportnation und die Grundfreiheiten aller Menschen in Deutschland bedeuten würde. Inzwischen stößt ihn aber auch das Vorgehen der Christsozialen ab, die im Rückblick alles Mögliche behaupten, aber alle Konsequenzen verschweigen.

Schuster macht das anders. Als er, der ehemalige Direktor der Bundespolizei, nach der jüngsten Sondersitzung des Innenausschusses vor die Kameras trat, sprach er über die Belastungen, Überforderungen und Fehler des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), erklärte im Anschluss aber einschränkend, es sei falsch zu glauben, dass es bei einem anderen Vorgehen keine Probleme gegeben hätte. "Machen wir uns nichts vor", sagte Schuster, "es wäre weltfremd zu glauben, beim Versuch einer Grenzschließung hätten wir keine Schwierigkeiten bekommen." Alle im Land seien vom Ansturm überrascht worden. Deshalb sei er sich sicher: "Wenn wir die Grenzen geschlossen hätten, würden wir heute nicht eine Überforderung des Bamf, sondern eine Überforderung der Bundespolizei untersuchen."

Dann, so Schuster, hätte es Fehler der Grenzpolizisten gegeben, dazu schreckliche Geschichten über traurige Schicksale. Und Bilder davon, wie Flüchtlinge in Massen über die grüne Grenze gegangen wären. Nur wer das benenne, argumentiere ehrlich.

Hinzu komme die Frage, ob die Regierung 2015 gegen den Willen einer Mehrheit entschieden habe. "Die große Mehrheit wollte im Herbst 2015 diesen Kurs." Deshalb sei es für ihn damals "der demokratische Wille" gewesen. Für einen Kritiker ist dies eine bemerkenswerte Antwort.

Gleichwohl fordert Schuster nach wie vor einen härteren Kurs an den Grenzen und will "einen nationalen Alleingang auf keinen Fall ausschließen". Er glaubt sogar, dass Merkel mit der Drohung im Rücken in Europa mehr erreichen könne. Deshalb will er die Kanzlerin auch nicht desavouieren, sondern würde ihr am liebsten mehr Zeit geben. Und was soll die Kanzlerin tun, wenn Seehofer alleine handelt? Darauf hat Schuster eine klare Antwort: Sie könne das keinesfalls zulassen. "Chef ist Chef", sagt Schuster, da dürfe es keine Zweifel geben.

Kürzlich hat sich Schuster scherzhaft als "Tulpenschnecke" unter den Abgeordneten beschrieben, weil er wenig Einfluss habe. Gut möglich, dass seine Rolle größer ist, als er annimmt.

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