Armenier-Resolution:Islamverband Ditib kritisiert türkeistämmige Abgeordnete

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  • Nach der Armenier-Resolution und Drohungen gegen Abgeordnete äußert sich der türkisch-islamische Dachverband Ditib.
  • Drei Vertreter geben eine Stellungnahme ab: Von Kritik an den Abgeordneten bis zum Aufruf zur Deeskalation gehen die Äußerungen.
  • Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) warnt in Deutschland lebende Türken davor, sich den Angriffen Erdoğans anzuschließen. Wer so denke, habe sich nicht integriert.

Massive Bedrohungen und Beleidigungen: Damit sehen sich die elf Bundestagsabgeordneten mit Wurzeln in der Türkei seit der Armenier-Resolution konfrontiert. Sie stehen unter Polizeischutz, das Auswärtige Amt rät ihnen von Reisen in die Türkei ab. Zahlreiche Politiker forderten daraufhin türkische Verbände in Deutschland auf, klar Stellung zu beziehen.

Özdemir fordert klare Haltung

"Ich erwarte, dass sie die Drohungen gegen uns Abgeordnete deutlich verurteilen und zu einer Versachlichung der Debatte beitragen", forderte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD). Und der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: "Man muss die Resolution nicht gut finden. Aber türkische Organisationen müssen ohne jede Hintertür die Mordaufrufe verurteilen. Da kann es keine zwei Meinungen geben."

Doch im türkisch-islamischen Dachverband Ditib scheint es keine klare Meinung dazu zu geben. So äußerten sich drei Vertreter am Wochenende zur Debatte, allerdings nicht im gleichen Ton. Die Mitglieder des nach eigenen Angaben größten Islamverbands in Deutschland fühlten sich seit der Abstimmung nicht mehr von den türkeistämmigen Abgeordneten vertreten, heißt es zum einen von Zekeriya Altuğ vom Ditib-Bundesverband in der ARD-Tagesschau: "Bisher ja, mittlerweile leider nicht mehr", sagte Altuğ wörtlich: "Das ist natürlich ein riesiger Vertrauensverlust, der die Menschen hier weiter spaltet." Seit Jahren, so der Leiter der Abteilung für Außenbeziehungen weiter, müssten sich "die Türken und die Muslime in Deutschland" rechtfertigen "für Geschehnisse in der ganzen Welt, die sie eigentlich nicht direkt angehen". Jetzt komme hier noch ein weiteres Thema hinzu.

"Wir verurteilen jeden Aufruf zu Hass"

Ein anderer Ditib-Sprecher hingegen, der Koordinator der Landesverbände Murat Kayman, hatte am Wochenende betont, die Beschimpfung und Bedrohung von Parlamentariern sei nicht hinnehmbar, sondern entschieden zu verurteilen. Und der von den dreien Ranghöchste, Ditib-Generalsekretär Bekir Alboğa, sagte in der Rheinischen Post: "Hetzerische Diffamierungen, Gewaltbereitschaft und entmenschlichende Anfeindungen sind keine legitimen Mittel, um in einer demokratischen Gesellschaft Konflikte und Meinungsverschiedenheiten auszutragen." "Niemals dürfen wir es zulassen, dass Meinungsverschiedenheiten zu Hass führen, der uns verblendet und zur Gewalt verleitet", sagte Alboğa. "Wir verurteilen jede öffentliche Schmähung, jeden Aufruf zu Hass und Gewalt."

Im Vorfeld hatte Ditib ein Treffen mit Norbert Lammert vergangene Woche abgesagt - und damit bereits Kritik an der Resolution zum Ausdruck gebracht. Der Bundestagspräsident sollte in der Berliner Şehitlik-Moschee an einem Empfang zum Fastenbrechen ("Iftar") im Ramadan teilnehmen.

Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) gehört zu den großen deutschen Islamverbänden, vertritt nach eigenen Angaben mehr als 900 Vereine und 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime. Ditib gilt als stark vom türkischen Staat beeinflusst.

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Der Bundestag hatte vor kurzem in einer Resolution die Massaker des Osmanischen Reiches an den Armeniern 1915/16 als Völkermord eingestuft und eine Mitschuld des Deutschen Reiches eingeräumt. Präsident Erdoğan hatte erbost auf die Resolution reagiert. Unter anderem warf er den elf türkeistämmigen Abgeordneten von CDU, SPD, Grünen und Linken, die für die Armenier-Resolution gestimmt hatten, vor, sie seien ein Sprachrohr der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Man solle zudem bei ihnen einen Bluttest machen, da ihr Blut vermutlich "verdorben" sei.

Staatssekretär: "Wer so denkt, hat sich nicht integriert"

Der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings (CDU), hat in Deutschland lebende Türken davor gewarnt, sich den Angriffen anzuschließen. "Wer sich als ausländischer Staatsbürger in Deutschland dieser Hetze Erdoğans anschließt, muss sich fragen, ob er bei uns noch gut aufgehoben ist", sagte Krings der Rheinischen Post. "Wer so denkt und redet, hat sich in dieses Land und seine Rechtsordnung eben nicht integriert", sagte Krings. "Und dieser Umstand muss natürlich auch bei Entscheidungen über Aufenthaltstitel berücksichtigt werden."

© SZ.de/kna/rtr/afp/lalse - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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