Arktischer Rat:"Glauben Sie, Trump hat schon mal von der Arktis gehört?"

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Die Sonne scheint über der Eisdecke auf dem Arktischen Ozean am Nordpol. (Foto: dpa)
  • Im Arktischen Rat geht es um Schifffahrt, Fischfang, Ölförderung, Umweltschutz, um Fragen also, wo nicht einer auf Kosten der anderen gewinnt, sondern Kooperation allen helfen kann.
  • Die Länder haben es bisher stets geschafft, Konflikte, die sie anderswo auf der Erde austragen, aus der Arktis fernzuhalten.
  • Doch es gibt auch Konfliktpotential: wegen der Militärpräsenz Russlands im Norden und weil man die Politik des neuen US-Präsidenten gegenüber der Arktis noch nicht einschätzen kann.

Von Silke Bigalke, Tromsø

Juha Sipilä ist selbst hergeflogen, nach Tromsø. Er hat das Flugzeug gesteuert, erzählt er nicht ohne Stolz, es sei eine ganz sanfte Landung gewesen. Juha Sipilä ist Premierminister von Finnland, und Finnland übernimmt bald den Vorsitz im Arktischen Rat. Es könnte, zumindest streckenweise, ein Blindflug werden. Eine sanfte Landung ist nicht garantiert.

In der Arktis sitzen die kleinen nordischen Länder zwischen den beiden Großmächten USA und Russland. Und deren Arktis-Politik ist derzeit so unvorhersehbar wie wohl seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Was US-Präsident Donald Trump über den hohen Norden und den Klimawandel denkt, darüber wird in Tromsø bei der Arctic-Frontiers-Konferenz viel gemutmaßt. Dass Wladimir Putin großes Interesse an der Arktis hat, scheint zwar klar zu sein. Die große Frage ist, ob und wie er es durchsetzen wird.

Die neue Unsicherheit wird deutlich, wenn man Norwegens Außenminister Børge Brende zuhört: Seit Jahren beschwört er die Arktis im immer gleichen Dreiklang als Region des "Friedens, der Stabilität und der Zusammenarbeit". Nun sagt er, dass Frieden und Stabilität nichts seien, das man in der heutigen Welt als selbstverständlich sehen könnte - auch nicht in der Arktis. Andersherum gelte, dass Stabilität in der Arktis ein entscheidender Beitrag zur globalen Stabilität sei. Zumindest aus Sicht von Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark ist das wahr.

SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Obama sperrte große Teile der Arktis für Öhlbohrungen

Aber sieht es auch Donald Trump so? Niemand wisse, was Trumps Arktis-Politik sei, sagt US-Botschafter David Balton, und er muss es wissen. Balton leitet die Treffen des Arktischen Rats, solange die USA den Vorsitz haben, bis sie im Mai an Finnland übergeben. Ex-Präsident Barack Obama hat als erster US-Präsident die amerikanische Arktis besucht und später große Teile für Ölbohrungen gesperrt. "Glauben Sie, Trump hat schon mal von der Arktis gehört", fragt der Moderator Balton. "Offenbar nicht", antwortet der.

Man dürfe keine Zeit verlieren, es ihm beizubringen, meint die schwedische Außenministerin Margot Wallström. "Ich hoffe sehr, dass es von gemeinsamem Interesse ist, die Spannungen in der Arktis gering zu halten, obwohl es dort auch militärische Interessen gibt", sagt sie. Man müsse versuchen, die amerikanische Regierung früh zu beeinflussen und ihr klarzumachen, dass Kooperation in ihrem Interesse sei. Es klingt ein wenig nach Nachhilfestunde. Die Schwedin möchte Donald Trump erklären, wie der Arktische Rat arbeitet. Im Arktischen Rat geht es um Schifffahrt, Fischfang, Ölförderung, Umweltschutz, um Fragen also, wo nicht einer auf Kosten der anderen gewinnt, sondern Kooperation allen helfen kann. Bisher jedenfalls.

Margot Wallström hat daher recht, wenn sie hofft, der geringe Ölpreis könne dabei helfen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. In Tromsø geht es zwar auch darum, wie man das Eis davon abhält, weiterzuschmelzen. Doch es ist gerade das schmelzende Eis, das Öl- und Gasfelder zugänglicher, neue Handelsrouten befahrbar, die Region für die Anrainerstaaten interessanter macht - und Konflikte damit wahrscheinlicher.

Vor zwei Jahren war das Gespenst auf den Fluren der Tromsø-Konferenz der Ukraine-Konflikt. Damals rätselten alle, wie er sich auf die Zusammenarbeit in der Arktis auswirken würde. Der Arktische Rat wurde zu einem der letzten Gremien, in denen Vertreter von Russland und Nato-Ländern noch an einem Tisch saßen. Die Länder haben es bisher stets geschafft, Konflikte, die sie anderswo auf der Erde austragen, aus der Arktis fernzuhalten. Norwegen und Russland etwa helfen sich dort bei Such- und Rettungsaktionen, kooperieren beim Fischfang. Dem Fischbestand hat das gutgetan, heute ist er so groß wie seit Jahrzehnten nicht, beide Länder profitieren.

Zugleich sind Norwegen, Schweden und Finnland besorgt, weil Russland im Norden seine Truppen verstärkt, U-Boote öfter einsetzt, Kampflieger an die Grenzen und seine Soldaten auch mal unangekündigt zu großen militärischen Übungen in die Arktis schickt. Børge Brende spricht von "asymmetrischer militärischer Situation", die man in Oslo sorgfältig verfolge. Auf russischer Seite gebe es im Norden einige der "größten militärischen Anlagen der Welt", samt atomaren U-Booten. Auch für die wird die Arktis durch das schmelzende Eis zugänglicher, rücken im Norden potenzielle Gegenspieler einander näher.

Norwegen hat daher zuletzt die militärische Kooperation mit den USA verstärkt. Es hat viel Kritik aus Russland geerntet, weil es 330 US-Soldaten dauerhaft auf eine Militärbasis bei Trondheim einlud. Børge Brende hat während des US-Wahlkampfs kein Hehl daraus gemacht, dass ihm ein Sieg Donald Trumps unangenehm wäre - vor allem wegen dessen Einstellung zur Nato. Nun müsse man "professional damit umgehen", meint der Außenminister.

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Während die Politiker also um das herumreden, was sie nicht vorhersehen können, reden im Nebenraum ein Russe und ein Amerikaner Klartext. Es sei unrealistisch, die Arktis abschirmen zu wollen von anderen geopolitischen Fragen, sagt Russland-Experte Bobo Lo vom Französischen Institut für internationale Beziehungen. "Weil es andere, zwingendere Spielplätze wie den Nahen Osten oder Osteuropa gibt, ist die Arktis ein ruhiges Gewässer", meint er. "Meine Sorge beginnt in dem Moment, in dem sich das ändert."

Nikita Lomagin von der Europäischen Universität Sankt Petersburg widerspricht, die Arktis habe längst Priorität für Russland. Es gibt bisher nur keinen Grund für Konflikte: "Wenn man ohne viel Krach alles bekommt, was man will, ist man glücklich." Nur gut, dass Trump der Arktis gar keine Aufmerksamkeit schenke, meint Robert Orttung von der George Washington University.

Pilot und Premier Juha Sipilä will sich im Arktischen Rat auf Themen wie Umweltschutz und Ausbildung konzentrieren. "Unser Motto: Was in Finnland funktioniert, funktioniert überall", witzelt er die Unsicherheit weg. Finnland ist nicht Mitglied in der Nato. Das hat auch mit Russland zu tun, die Finnen fürchten die Reaktion des großen Nachbarn.

© SZ vom 25.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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