Ariel Scharon:Vom "Bulldozer" zum Friedenspolitiker

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"Arik" Scharon hat viele Wandlungen in seinem Leben vollzogen. Als Verteidigungsminister wurde er 1982 verantwortlich gemacht für Massaker in palästinensischen Flüchtlingslagern, als Premier beendete er die Besetzung des Gaza-Streifens.

Nachdem er jahrzehntelang die jüdischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten gefördert hatte, entschied er als erster Ministerpräsident, einen Teil der Siedlungen wieder aufzugeben.

Ariel Scharon (Foto: Foto: AFP)

Scharon prägte den Konflikt von Beginn an und war an fünf Kriegen beteiligt. Einmal wurde er als Retter gefeiert, dann wieder als Schande der Nation angeprangert.

Sein Leben war voller Überraschungen, von denen eine der größten die Wahl zum Ministerpräsidenten im Jahr 2001 war. Scharon war damals schon 73 Jahre alt. Seine erste Amtszeit war von der Niederschlagung des palästinensischen Aufstandes geprägt, die zweite vom Rückzug aus dem Gazastreifen.

Nun stand er abermals am Scheideweg: Im November verließ er den konservativen Likud-Block, zu dessen Gründungsmitgliedern er zählt. Doch einen Frieden mit den Palästinensern und eine Festlegung der endgültigen Grenzen des Staates schien ihm nur mit einer neuen, moderateren Partei durchsetzbar.

Deswegen scharte er seine engsten Anhänger um sich und gründete mit ihnen die neue Partei Kadima (Vorwärts). Bei der Parlamentswahl am 28. März schien ihr bislang der Sieg sicher. Jetzt sind Scharons Chancen gering, wieder gesund zu werden und noch einmal auf die politische Bühne zurückzukehren.

Der Mann, der in Israel Arik genannt wird, ist einer der charismatischsten und zugleich umstrittensten Politiker Israels. Er erwarb sich früh den Ruf, ein militärisches Genie zu sein. Als Soldat bestach er durch eine kühne Taktik, mitunter setzte er sich dabei auch über Befehle hinweg.

Als Politiker wurde er als "der Bulldozer" von seinen Gegnern gefürchtet - auch vom langjährigen palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat, den er in dessen letzten Amtsjahren in Ramallah festsetzen ließ.

Seine Unnachgiebigkeit zeigte er aber auch beim Gaza-Rückzug, den er gegen erbitterten Widerstand seiner eigenen Partei durchsetzte. Beim Bau des Sperrwalls zu den palästinensischen Gebieten wiederum ließ er sich auch von starker internationaler Kritik nicht vom Kurs abbringen.

Dafür musste er in Kauf nehmen, dass all diese Projekte auch höchst umstritten sind. So betrachten die Palästinenser die Sperranlage aus bis zu neun Meter hohen Betonquadern als Landnahme und nicht als Versuch, Selbstmordattentäter abzuwehren.

Die Räumung des Gazastreifens sehen sie als perfiden Versuch, den Anspruch auf weite Teile des Westjordanlandes zu festigen. Ihr Argwohn gründet sich auf Erfahrungen aus den frühen 80er Jahren.

1982 befehligte Scharon den israelischen Einmarsch in den Libanon, der zu Massakern an palästinensischen Flüchtlingen durch libanesische Verbündete Israels führte.

Scharon kam am 27. Februar 1928 als Kind russischer Einwanderer in der Bauerngemeinde Kfar Malal 15 Kilometer nördlich von Tel Aviv zur Welt. Schon mit 14 Jahren kämpfte er für einen israelischen Staat. Seinen größten Ruhm erzielte er durch einen kühnen Vorstoß über den Suez-Kanal im Jahr 1973. Die Operation trug erheblich dazu beitrug, dass sich das Blatt des Nahostkrieges wendete.

Den Tiefpunkt seiner Karriere bilden die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Chatilla im Libanon, die er als Verteidigungsminister zu verantworten hatte.

Nicht zuletzt durch die populäre Unterstützung der Siedlerbewegung erwarb er sich seinen Ruf zurück und war bald wieder im Kabinett vertreten. Nach der Niederlage des Likud bei der Wahl 1999 blieb Scharon Parlamentsabgeordneter, ohne Ministeramt konnte er aber auch mehr Zeit auf seiner Schaf-Farm im Süden der Negev-Wüste verbringen.

Doch als die Palästinenser nach den gescheiterten Friedensverhandlungen von Camp David die zweite Intifada ausriefen, kam erneut die Stunde des Bulldozers. Der zweifache Witwer erreichte einen überraschenden Wahlsieg, indem er durch einen Besuch des auch den Muslimen heiligen Tempelberges in Jerusalem Öl ins Feuer des Konfliktes goss.

Erst in seiner zweiten Amtszeit schien sich der einstige Hardliner zu wandeln, und eine historische Mission erfüllen zu wollen: Er bekannte sich zu einem palästinensischen Staat und bezeichnete die israelische Kontrolle über das Westjordanland und den Gazastreifen als Besatzung - ein Wort, das er bis dahin nie gebraucht hatte.

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