Ariel Scharon:Demütigung als Lebensaufgabe

Ob als Soldat oder Politiker - der israelische Premierminister Ariel Scharon steht für kompromisslose Härte gegen die Palästinenser.

Von Paul-Anton Krüger

Kaltes Kalkül und Skrupellosigkeit kennzeichnen den tödlichen Angriff auf den Hamas-Führer Scheich Achmed Jassin. Beides steht auch für das Leben des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Er selbst soll die Liquidierung Jassins überwacht haben, berichtet der israelischen Rundfunk. Der Schlag gegen die "Ikone des Terrors" folgt der Logik "Entweder sie oder wir", die Scharon im September 2003 für den Kampf gegen "palästinensische Terroristen" ausgegeben hat, nachdem ein erster Versuch gescheitert war, Jassin zu töten.

Scharon hat bei diesem Kampf nie differenziert zwischen den heimtückischen Selbstmordanschlägen der Hamas oder der Al-Aksa-Brigaden und dem palästinensischen Aufstand auf der Straße, der zweiten Intifada. Letztere hatte er mit seinem umstrittenen Besuch auf dem Jerusalemer Tempelberg im September 2000 zu guten Teilen selbst provoziert.

Damals noch Führer der rechten Opposition wollte er den Ort besichtigen, der den Juden als Stätte des alttestamentlichen Tempels gilt, aber auch muslimische Heiligtümer beherbergt - die Al-Aksa-Moschee und den Felsendom. Herbeigeeilte palästinensische Demonstranten bewarfen die zu Scharons Schutz abgestellten Polizisten mit Flaschen und Steinen.

Die Sicherheitskräfte wehrten sich mit Gummigeschossen, Tränengas und Knüppeln, und während die Straßenschlacht noch in vollem Gange war, ließ sich Scharon in die Jerusalemer Altstadt eskortieren und verkündete, er sei mit einer Botschaft des Friedens gekommen.

Ruhm als Kriegsheld

Die Demütigung hat System. Daran scheint sich nicht geändert zu haben, seit der heute 76-jährige Scharon in den fünfziger Jahren als junger Offizier die israelische Sondereinheit 101 befehligte - gegründet, um Rache für Angriffe von Palästinensern zu üben. "Es ging darum, die Araber in eine Psychologie der Niederlage zu zwingen, sie so heftig zu schlagen, dass in ihnen die Überzeugung wuchs, dass sie niemals gewinnen können" schrieb Scharon in seiner Biografie mit dem programmatischen Titel "Krieger".

69 Menschen starben, als die Einheit 101 unter Major Scharon am 14. Oktober 1953 über das palästinensische Dorf Kibbija jenseits der jordanischen Grenze herfiel, dem Befehl gehorchend, "soviel wie möglich an Menschenleben und Eigentum zu vernichten". Scharon bedauerte im Nachhinein die "Tragödie", die Verantwortung für den Tod unschuldiger Zivilisten wies er von sich.

Strategisches Geschick, das ihn für das Kommando prädestiniert hatte, beförderte seinen Aufstieg im Militär. Während des Sechstage-Krieges 1967 nahm seine Panzerbrigade in einem waghalsigen Manöver die befestigte ägyptische Enklave Abu Ageila im Sinai - worauf sein Ruhm als Kriegsheld gründet.

Gefeiert als "König von Jerusalem"

1973 quittierte Scharon den Dienst, ließ sich aber im Jom-Kippur-Krieg im Oktober des gleichen Jahres reaktivieren. Mit seinen Panzern rückte der risikofreudige Haudegen über den Suezkanal vor und trug maßgeblich zum Sieg Israels bei, ließ sich von den Israelis als "König von Jerusalem" feiern.

In diese Zeit fällt auch Scharons Einstieg in die Politik; er beteiligte sich an der Gründung des Likud-Blocks im September 1973. Nur drei Monate später zog er als Abgeordneter in die Knesset ein, legte sein Mandat aber nach einem Jahr nieder und zog sich auf seine Farm in der Negevwüste zurück.

1977 kehrte er an der Spitze einer ultrarechten Bewegung zurück, schloss sich erneut dem Likud an und diente zunächst als Landwirtschaftsminister im Kabinett Menachem Begins. Bis er 1981 ins Verteidigungsressort wechselte, trieb er entschieden den Bau jüdischer Siedlungen voran.

Falke der Falken

Im Juni 1982 ordnete der "Falke der Falken" (Le Monde) den Einmarsch Israels im Libanon an, um der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO den Garaus zu machen. Unter den Augen der israelischen Armee metzelten libanesische Christenmilizen in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila 800 Palästinenser nieder. Eine Untersuchungskommission wies Scharon "Mitverantwortung" nach, er musste sein Ressort abgeben, blieb aber Minister und profilierte er sich weiter als "rechter Bulldozer".

Diese Linie behielt er bei, nachdem er im Februar 2001 zum Ministerpräsidenten Israels gewählt wurde. Eine Teilung Jerusalems schloss er aus, wie auch ein Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge. Scharon verfolgte eine Politik der "aktiven Verteidigung", gezielte Liquidierungen, wie die von Scheich Jassin, eingeschlossen. Mit einer Mauer will er Israel vor palästinensischen Anschlägen schützen, wenn er schon nicht verhindern kann, was der internationale Friedensplan vorsieht: die Schaffung eines palästinensischen Staates bis 2005.

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