Argentiniens Staatschefin:Gute Figur an der Krisenfront

Argentiniens Präsidentin debütiert erfolgreich auf internationalem Parkett. Doch zu Hause fragen sich hundert Tage nach ihrem Amtsantritt viele, wann Cristina Fernández de Kirchner die Probleme des Landes anpackt.

Peter Burghardt

Auffällig ist Argentiniens Präsidentin in jedem Fall, sobald sie sich zeigt. Beim lateinamerikanischen Krisengipfel in Santo Domingo trug Cristina Fernández de Kirchner kürzlich ein türkises Kostüm, das im Fernsehen schön leuchtete. Zuvor, in Caracas, war sie in hellem Rosa zu sehen. Die rotbraunen Haare fielen seidig auf die Schultern, und die dunklen Augen waren von einer Extraportion Wimperntusche umgeben. Zwischendurch setzte sie eine schwarzgerahmte Lesebrille auf. Ihre Sittenpredigt fesselte die übrigen Teilnehmer, mit Ausnahme der Chilenin Michelle Bachelet lauter Männer.

Argentiniens Staatschefin: Gerade bei Staatsempfängen - wie hier in Venezuelas Hauptstadt Caracas -  macht Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner eine gute Figur.

Gerade bei Staatsempfängen - wie hier in Venezuelas Hauptstadt Caracas - macht Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner eine gute Figur.

(Foto: Foto: AFP)

"Terroristen bekämpft man nicht mit Verstößen gegen die Menschenrechte", belehrte sie den kolumbianischen Kollegen Álvaro Uribe, der neben ihr noch blasser wirkt als sonst. "Wir dürfen uns nie von der Legalität entfernen", sprach die Juristin, wie üblich hielt sie ihren Vortrag frei. Die Botschaft erreichte auch die Zuschauer daheim am Rio de la Plata, mehrere Sender übertrugen live.

Santo Domingo war der bisher bedeutendste internationale Auftritt der Presidenta und gelang nicht schlecht. "Sie hat in einem der delikatesten Momente der regionalen Beziehungen eine gute Figur abgegeben", lobte die Zeitung Clarín. Die Vermittlerin aus Buenos Aires trug dazu bei, zwischen den Rivalen Kolumbien, Ecuador und Venezuela zu schlichten.

Größter Boom seit 100 Jahren

Dabei war die Reise von nationaler Polemik begleitet. Zunächst hatte Señora Kirchner im Regierungsjet Tango01 den streitbaren Venezolaner Hugo Chávez aufgesucht - er braucht Lebensmittel, sie braucht Öl. Dann schaute sie bei den argentinischen Truppen in Haiti vorbei. "Cristina an die Front", witzelte das Blatt Crítica und setzte die Staatschefin in Kampfuniform unter roter Chávez-Mütze auf die Titelseite.

Jedenfalls: Knapp hundert Tage nach Amtsantritt sieht man endlich die Dame, die seit 10. Dezember 2007 Argentinien regiert. Wochenlang hatten Kritiker gerätselt, was die neue Herrscherin so treibe. In den Präsidentenpalast Casa Rosada komme sie frühestens um 16 Uhr und bleibe bestenfalls fünf Stunden, stänkerte Noticias. Dafür sei sie nur zweimal in denselben Klamotten entdeckt worden.

Wohlmeinendere Beobachter wiesen zwar darauf hin, die Hausherrin arbeite vor allem in ihrer Residenz in Olivos. Doch in den ersten beiden Monaten, so errechneten Gegner, habe sie 26 Tage frei genommen und im Ferienhaus in El Calafate in Patagonien die Einrichtung sowie den Garten gepflegt. Wobei anzumerken wäre, dass halb Argentinien im Januar oder Februar Sommerurlaub macht.

Sie kümmere sich nicht um die Gegenwart, schimpft Oppositionsführerin Elisa Carrió, "das sind Inflation, Unsicherheit, Armut". Und obendrein war da dieser Skandal um einen merkwürdigen Koffer voller Geld, der aus Venezuela kommend am Flughafen entdeckt worden und laut Kritikern für ihren am Ende siegreichen Wahlkampf bestimmt gewesen war. Der Fall führte zu einem diplomatischen Schlagabtausch mit den USA.

Gute Figur an der Krisenfront

Vor allem aber bewegte die Nation die Frage, wer von den Kirchners denn nun das Sagen habe: Vorgänger und Gatte Néstor oder sie? Die Antwort lautet wahrscheinlich, dass das Präsidentenpaar wie - bereits zuvor unter seiner Leitung - gemeinsam bestimmt.

Nur offiziell führt jetzt sie das Kommando, wie bei der Eröffnung des Abgeordnetenjahres am 1.März. Argentinien erlebe den größten Boom seit hundert Jahren, verkündete die Rednerin im cremefarbenen Kleid, tatsächlich wächst die Wirtschaft um neun Prozent. Allerdings werde sie nicht ruhen, ehe es Gas und Strom für alle gebe und die Armutsquote auf unter fünf Prozent gesunken sei.

Auch schwärmte Frau Kirchner von den Plänen für den teuren Schnellzug von Buenos Aires nach Rosario und Mar del Plata. Herr Kirchner blieb der Veranstaltung fern, er wollte nicht stören. Dafür erweitert er in seinem Büro im mondänen Hafenviertel Puerto Madero die Macht der Kirchner-Fraktion und will den Vorsitz der zerstrittenen Peronistischen Partei PJ übernehmen: "Mit zwei Leibwächtern und der Agenda eines Präsidenten", stichelt die konservative Zeitung La Nación.

Der Taktiker schaffte es sogar, den früheren Wirtschaftsminister und späteren Wahlgegner Roberto Lavagna zurück ins Boot zu holen, Rivalen schäumen. Sie Staatschef, er bald Parteichef, und die Gewerkschaften sind auch noch auf beider Seite.

Ein bisschen besser als manche Männer

Zu Ehren des Streikführers Hugo Moyano traten Néstor und Cristina kürzlich gemeinsam auf, das Fußvolk sang die Peronisten-Hymne. Da war es doch ein bisschen wie einst bei Juan Domingo Perón und seiner ewigen Evita. Den Nachfolgern Kirchner widmet ein Geschäftsmann neuerdings sogar eine Zeitschrift namens K.

Wobei sie sich in der weiten Welt und bei langen Vorträgen deutlich wohler fühlt als er. Steigende Fleischpreise und Inflationsraten interessieren Cristina Fernández de Kirchner weniger als Grenzkonflikte und Geiseldramen. Ihr Beitrag wirkte in Santo Domingo offenbar beruhigend auf die Krieger Chávez, Correa, Uribe.

Es heiße immer, Frauen seien hysterisch und ehrgeizig, sagte Argentiniens Wortführerin. Aber manchmal "sind sie die rationalsten Personen des Planeten. In einigen Dingen sind wir ein bisschen besser als manche Männer." Die Staatsmänner applaudierten.

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