Argentiniens Junta-Mitglieder:Die meisten kommen davon

Lesezeit: 2 min

In der südamerikanischen Heimat ist die Strafverfolgung ehemaliger Angehöriger der Militärdiktatur hoffnungslos. Nun verfolgt Nürnbergs Justiz noch fünf argentinische Junta-Offiziere.

Von Stefan Ulrich

Ein Satz aus der Chronik eines angekündigten Massenmordes: "Es müssen so viele Menschen wie nötig in Argentinien sterben, damit das Land wieder sicher wird", drohte der argentinische General Jorge Videla vor seinem Putsch am 24. März 1976. Dann folgten Taten. Bis zu 30.000 Regimegegner "verschwanden", darunter Deutsche und Deutschstämmige. Auch nach der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie wurden Videla und Kameraden nie angemessen bestraft.

Nürnberg als Ort der Gerechtigkeit

Deswegen suchten Menschenrechtler einen anderen Ort für Gerechtigkeit: Nürnberg, die Stadt der Prozesse gegen die Nazi-Größen. Nach anfänglichem Zögern stürzten sich die bayerischen Staatsanwälte in die Arbeit und ermittelten gegen 74 Chargen der Tyrannis am Rio de la Plata. Menschenrechtler waren begeistert - doch nun folgt die Ernüchterung. Wie die Staatsanwaltschaft am Freitag mitteilte, werden viele Fälle eingestellt.

Die Ermittler rechtfertigen das damit, in einigen Fällen seien die Opfer keine Deutschen gewesen, in anderen die Taten verjährt, in wieder anderen Morde nicht einwandfrei zuweisbar. So heißt es im Hinblick auf fünf verschwundene Deutsche: "Die umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konnten die Umstände des Todes der Geschädigten nicht aufklären." Die Menschenrechtler von der Nürnberger Koalition gegen Straflosigkeit überzeugt das nicht. "Wer in die Folterkerker der Junta geriet und nicht mehr rauskam, der ist ermordet worden", sagte der Rechtsanwalt der Koalition, Wolfgang Kaleck, der Süddeutschen Zeitung. "Da brauche ich keine Leichen."

Der Vorsitzende des Republikanischen Anwaltsvereins gibt zu bedenken, in Buenos Aires herrsche ein heftiger Streit darüber, ob die Täter nicht doch verfolgt werden sollten. "In dieser Situation wäre es ungeheuer wichtig, dass die Nürnberger Justiz zeigt: Wenn die Argentinier das nicht selbst verfolgen, stehen wir hier in Europa bereit." Die Einstellungen seien ein falsches Signal. Justizsprecher Bernhard Wankel kontert: "Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht, um Signale zu setzen, sondern um Straftaten zu verfolgen."

Der Göttinger Strafrechtsprofessor und Lateinamerika-Spezialist Kai Ambos gibt jedoch zu bedenken: "Der ganze Prozess der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen in Südamerika ist sehr fragil. Die Gefahr besteht immer, dass die Militärs zurückkommen." Da die deutsche Justiz größtes Ansehen genieße, hätten die Verfahren in Nürnberg große, positive Wirkung gehabt.

Die Nürnberger Justiz betont demgegenüber, immerhin würden fünf Beschuldigte weiterverfolgt: Videla und vier andere hohe Offiziere. Ihnen wird Mord an den Deutschen Elisabeth Käsemann und Klaus Zieschank vorgeworfen. Deutschland fordert die Auslieferung der Verdächtigen. Die Chronik der Massenmorde könnte also doch noch mit einem Urteil enden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: