Argentinien:Der rätselhafte Geldwerfer

Argentinien: Warum warf er Geld über eine Klostermauer? José Lopez (Mitte) wird in voller Sicherheitsmontur abgeführt.

Warum warf er Geld über eine Klostermauer? José Lopez (Mitte) wird in voller Sicherheitsmontur abgeführt.

(Foto: Natacha Pisarenko/AP)

Warum warf ein Getreuer der früheren Präsidentin Säcke mit Geld über eine Klostermauer? Argentinien wartet auf Antworten.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Es gibt viele bewährte Wege, für die Kirche zu spenden. Der Argentinier José López hat sich vergangene Woche für eine außergewöhnliche Methode entschieden. In einem Vorort von Buenos Aires warf er Plastiksäcke mit Bargeld über eine Klostermauer. Dann kletterte er hinterher. Zum Leidwesen des Spenders erregte das die Aufmerksamkeit eines Nachbarn, der sich um die vier greisen Bewohnerinnen des Nonnenstiftes Nuestra Señora de Fátima sorgte. Gegenüber der Polizei gab sich López zunächst als Mitarbeiter der Kirche aus. Als er merkte, dass ihm keiner glaubte, soll er versucht haben, die Beamten zu bestechen, Geldbündel hatte er ja genug dabei. Spätere Zählungen ergaben eine Summe von knapp neun Millionen Dollar. Nachdem die Polizisten auch noch eine Schnellfeuerwaffe in López' Auto fanden, war klar, dass es hier nicht um karitative Zwecke ging. Aus dem rätselhaften Wurf hat sich inzwischen eine Staatsaffäre entwickelt, in deren Mittelpunkt die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner steht.

José López war ein hochrangiger Funktionär der Kirchner-Regierung, als Staatssekretär im Planungsministerium war er zuständig für die Vergabe von milliardenschweren Bauaufträgen. Seine politische Karriere begann wie die der Kirchners in Patagonien, er galt als Freund der Familie. Im Lauf dieser Woche soll er von den Ermittlern verhört werden. Die argentinische Öffentlichkeit, die den Fall seit Tagen in Sondersendungen verfolgt, wartet gespannt, was er zu sagen hat.

López konnte bislang weder schlüssig erklären, was er mit den Millionen im Kloster wollte, noch woher das Geld stammte. Cristina Kirchner hat versichert, dass sie nichts damit zu tun habe. Das glauben ihr aber nur eingefleischte Fans. Die Bundesanwaltschaft prüft, Ermittlungen wegen Geldwäsche einzuleiten und dann auch die ehemalige Präsidentin vorzuladen.

In den zwölf Regierungsjahren des Ehepaares Kirchner haben sich allerlei Korruptionsindizien angesammelt. Immer wieder geht es dabei um jenes Hotelimperium, das die Familie sich im patagonischen El Calafate errichtet hat. Selbst das Mausoleum, in dem der 2010 verstorbene Néstor Kirchner ruht, war Gegenstand von Ermittlungen. Seine Witwe Cristina schien lange immun gegen alle Vorwürfe zu sein.

Seitdem Ende vergangenen Jahres der konservative Präsident Mauricio Macri regiert, geht die traditionell politisch gefärbte argentinische Justiz allerdings mit verschärften Methoden gegen Kirchner vor. Im April musste sie vor Gericht aussagen, wenn auch nicht als Angeklagte, sondern als Zeugin. Dabei ging um mutmaßlich betrügerische Termingeschäfte der Zentralbank. Die scheidende Kirchner-Administration soll in den Wochen von der Machtübernahme Macris im großen Stil Devisen unter Marktwert verkauft haben.

Im Zentrum einer weiteren Affäre steht der seit April verhaftete Bauunternehmer Lázaro Báez, ebenfalls ein langjähriger Freund der Kirchners. Ihm wird Geldwäsche in Millionenhöhe vorgeworfen. Báez brachte es in den Kirchner-Jahren über öffentliche Aufträge zu sagenhaftem Reichtum. Laut einer Kronzeugenaussage soll er über längere Zeit eine große Zahl von Zimmern in einem Luxushotel der Kirchners bezahlt haben, ohne diese zu benützen. Eine der vielen Fragen, für die sich die Staatsanwälte interessieren, lautet nun, inwiefern der Fall López mit dem Fall Báez zusammenhängt. Präsident Macri spricht von "systematischer Korruption". Ihm scheint die Sache aber ganz gelegen zu kommen. Sie lenkt jedenfalls ein wenig davon ab, dass er selbst unter Korruptionsverdacht steht.

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