ARD/ZDF:Ein Ghetto für die Jungen

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Nach jahrelangem Hin und Her geht an diesem Samstag das neue Format von ARD und ZDF "Funk" online. Es ist ein Trauerspiel. Denn für die 45 Millionen Euro im Jahr kaufen sich die Sender davon frei, ihr Programm zu reformieren.

Von Katharina Riehl

Zu sehen an diesem Samstag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Um 20.15 Uhr moderiert Jörg Pilawa in der ARD die Quizshow "Spiel für dein Land", den Länderwettstreit zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im ZDF heißt die Gastgeberin Carmen Nebel, die Schlagerstars wie Andrea Berg und Andy Borg ans Mikro lädt.

Diese beiden nicht nur konzeptionell eher schlichten Shows werden ziemlich sicher eine ordentliche Quote einfahren. Und beide werden von einer gesellschaftlichen Gruppe weitestgehend ignoriert werden: von jungen Zuschauern.

Es ist nicht viel mehr nötig als ein kurzer Blick ins Fernsehprogramm, um zu verstehen, mit welchem Kalkül ARD und ZDF die Erfindung des Jugendangebots Funk vorangetrieben haben. An diesem Samstag geht, nach jahrelangem politischen Hin und Her, das "Junge Angebot von ARD und ZDF" online, ein reines Webangebot mit 40 eigens produzierten Videoformaten für Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren. 45 Millionen Euro werden pro Jahr dafür ausgegeben, die Videos bei Youtube oder Facebook zu zeigen. 45 Millionen Euro lassen ARD und ZDF es sich kosten, sich von ihrer Verantwortung freizukaufen, Fernsehen für alle zu machen.

Seit 2013 muss jeder, der in Deutschland gemeldet ist, den Rundfunkbeitrag bezahlen - ganz egal, ob er denn nun fernsieht oder nicht. Man hat die Einnahmensituation der öffentlich-rechtlichen Sender auf diese Weise sehr komfortabel reformiert, es reifte aber auch die Erkenntnis: Wenn alle zahlen, müssen wir für alle Programm anbieten - also auch für diejenigen Zuschauer, die ARD und ZDF schon lange in die Flucht geschlagen haben.

Es wäre die Verantwortung der Sender, ihr Programm zu reformieren und Inhalte zu wagen, die auch jene ansprechen, die längst zu Netflix oder Amazon geflohen sind. Genau das wollen ARD und ZDF aber nicht, weil Krimis, "Traumschiff" und Quizfragen ihnen eine sehr solide Quote bescheren. Deshalb wurden schon vor Jahren munter Spartensender gegründet und nun eben für 45 Millionen Euro eine Kinderecke im Internet eingerichtet. Ziemlich frech eigentlich, lieber immer noch ein bisschen mehr Programm zu machen statt besseres.

Für 45 Millionen Euro kaufen sich die Sender davon frei, ihr Programm zu reformieren

Die Idee hinter Funk, dem neuen Webangebot, ist in vielerlei Hinsicht sehr irre, selbst für öffentlich-rechtliche Verhältnisse. Nicht nur, weil niemand weiß, ob irgendein Zuschauer diese zum Teil sehr hübschen Inhalte im Netz finden wird. Nicht nur, weil man sich fragt, welche Zukunftsvision sie bei ARD und ZDF wohl haben, wenn man die nächste Publikumsgeneration fürs Medium Fernsehen ja offenbar bereits abgeschrieben hat. Und es zeugt von einer simplen Sicht der Sender auf das Fernsehpublikum in Deutschland. Moderne Inhalte für Jugendliche fürs Netz zu produzieren, setzt ja die Annahme voraus, dass alle Menschen über 30 es super finden, Deutsch sprechenden Kommissaren auf dem Canal Grande zuzusehen, oder Schauspielern, die dämliche Quizfragen beantworten. Aber Qualität ist keine Altersfrage. Die Quoten von ARD und ZDF sind so gut, weil offenbar genügend Menschen gerne Filme aus dem Reisekatalog sehen. Das sei diesen Zuschauern herzlich gegönnt, denn auch "Traumschiff"-Fans sind Gebührenzahler. Aber es geht immer auf Kosten derer, die vom Fernsehen mehr erwarten.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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