Arbeitsmarkt:Wege aus der Hartz-IV-Falle

Vier Millionen Erwachsene beziehen die Grundsicherung - und sie haben es schwer, einen Job zu finden. Vor allem, wenn drei Hindernisse bestehen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Jeder Bürger soll die Chance haben, ein eigenes Einkommen zu erzielen und sich Besitz zu erarbeiten. Das gehört zu den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Für Menschen, die erst einmal ins Hartz-IV-System abgerutscht sind, bleibt dieser Weg jedoch oft versperrt. Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt nun: Lange Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Probleme sowie ein Lebensalter über 50 Jahren zählen zu den stärksten Hindernissen, wieder einen Job zu bekommen. "Als Faustregel kann gelten, dass sich mit jedem Hemmnis die Abgangschancen aus Hartz IV halbieren", heißt es in der Untersuchung.

Gut sechs Millionen Menschen in Deutschland beziehen derzeit Hartz IV, unter ihnen fast 4,3 Millionen Erwachsene. Die Studie der IAB-Forscher Marc Trappmann und Jonas beruht auf den Daten von knapp 5000 Hartz-IV-Empfängern zwischen 15 und 64 Jahren, die nicht erwerbstätig oder Schüler waren und allenfalls einen 450-Euro-Job hatten, um sich zur Grundsicherung etwas dazuzuverdienen. Generell gilt für sie: Einmal Hartz IV muss nicht zwingend heißen immer Hartz IV. Immerhin schafft es jeder dritte, innerhalb eines Jahres eine reguläre Arbeitsstelle zu finden, aber nur wenn keines der sogenannten Vermittlungshemmnisse vorliegt. Für diejenigen, die in irgendeiner Form gehandicapt sind, ist es jedoch äußerst schwierig, aus Hartz IV herauszukommen - und das sind die allermeisten.

Als größte Hindernisse für eine Jobaufnahme gelten neben dem Alter, Gesundheitsproblemen und langer Arbeitslosigkeit nicht ausreichende Deutschkenntnisse, das Fehlen eines Berufs- oder Schulabschlusses, Betreuungspflichten für Kinder oder die Pflege von Angehörigen. Auch diese anderen Hürden verringern die Aussichten, eine Arbeit zu ergattern. Bei Müttern, die Kinder erziehen, reduzieren sich die Chancen zum Beispiel um ein Drittel. Allerdings weisen drei Viertel der Befragten mindestens zwei dieser Hemmnisse auf, fast die Hälfte sogar drei oder mehr. Das macht den Absprung aus Hartz IV noch unwahrscheinlicher.

Die Arbeitsmarktforscher haben auch untersucht, wie oft welche Probleme bei den Hartz-IV-Empfängern auftreten. Besonders häufig sind danach die Langleistungsbezieher, also diejenigen, die mindestens 21 der letzten 24 Monate auf die staatliche Hilfe angewiesen waren. Dies traf in den Jahren 2014 und 2015 auf zwei Drittel der erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher zu. Bei 45 Prozent ist der Gesundheitszustand schlecht, 40 Prozent haben keinen Berufsabschluss. Fast ein Drittel sind Mütter mit Kindern unter 18 Jahren. 27 Prozent sind älter als 50 Jahre, und bei sechs Prozent hapert es mit den Deutschkenntnissen.

Die IAB-Experten halten aber gar nichts davon, die Hartz-IV-Empfänger aufzugeben. Schließlich verbesserten sich die Chancen für die Jobsuche, wenn es den Jobcentern gelinge, die Vermittlungshürden abzubauen. Deshalb sei es sinnvoll, "in den Abbau von Hemmnissen zu investieren". Die Forscher räumen aber ein, dass man über 50-Jährige nicht jünger machen kann. Um so nötiger sei es, "am Abbau von Vorurteilen gegenüber älteren Arbeitnehmern zu arbeiten".

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