Arbeitsmarkt:Die Jobmaschine

In Deutschland haben Flüchtlinge vergleichsweise gute Chancen, eine Arbeit zu finden - verlieren sie aber auch schnell wieder.

Von Cerstin Gammelin

Statistiken verdienen mehr als ein Quäntchen Aufmerksamkeit. Zwischen den vielen Zahlen lässt sich immer wieder Unerwartetes finden, wie beispielsweise in der an diesem Montag veröffentlichten Erhebung des Statistischen Bundesamtes über den deutschen und den europäischen Arbeitsmarkt. Dort ist nachzulesen, dass diejenigen Länder, denen es wirtschaftlich am besten geht, auch diejenigen sind, die am meisten Flüchtlinge aufnehmen.

In Deutschland waren im Jahr 2014 mindestens drei von vier erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren auch tatsächlich erwerbstätig; genau genommen insgesamt 78 Prozent aller Erwerbsfähigen. Im europäischen Durchschnitt sind es nur etwas mehr als zwei Drittel. Besser als in Deutschland sieht es nur in dem Land aus, in das ebenfalls sehr viele Flüchtlinge drängen: In Schweden arbeiten vier von fünf Erwerbsfähigen. Weiter hinten in den Statistiken finden sich Daten, aus denen abgeleitet werden kann, wie sich die Erwerbsquote in den kommenden Jahren entwickeln - und wie sie von den ins Land strömenden Asylbewerbern beeinflusst werden könnte. Insgesamt geben die Statistiker Entwarnung; die Sorge, dass Ausländer den Einheimischen die Arbeitsplätze streitig machen, ist nach bisheriger Erfahrung unbegründet.

Grundsätzlich ist der Trend, dass im europäischen Vergleich in Deutschland besonders viele Migranten arbeiten, schon länger zu beobachten. Bereits 2014 lag der Anteil der Erwerbstätigen mit ausländischem Pass in Deutschland bei neun Prozent - und damit zwei Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt. Die meisten von ihnen kamen aus EU-Ländern wie Spanien, Griechenland oder auch Portugal, weil sie daheim aufgrund der dramatischen Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Jobs verloren oder gar keinen Ausbildungsplatz mehr bekommen hatten.

Die Jobcenter sollen den Neuankömmlingen unbürokratisch helfen

Ausländische Staatsangehörige, insbesondere aus nichteuropäischen Staaten, finden dennoch seltener einen Arbeitsplatz als deutsche Staatsbürger - selbst wenn die generelle Beschäftigungslage so gut ist wie in Deutschland. Die Erwerbstätigenquote von EU-Ausländern in Deutschland lag immerhin noch bei 76 Prozent und damit nur knapp unter dem allgemeinen Durchschnitt. Allerdings hatte nur etwa jeder zweite in Deutschland lebende Nicht-EU-Bürger einen Job. Seine Daten zieht das Statistische Bundesamt aus Stichprobenbefragungen bei einem Prozent der Bevölkerung. Zu den Erwerbstätigen zählen neben Arbeitern und Angestellten auch Selbständige und mithelfende Familienangehörige. Die Experten gehen davon aus, dass die ins Land strömenden Asylbewerber die Beschäftigungsquoten der ausländischen Bürger mittelfristig steigen lassen werden. Konkrete Hochrechnungen gibt es noch nicht. Allerdings weisen sie auch auf einen anderen Trend hin: In Krisenzeiten verlieren Zuwanderer schneller ihren Job als Inländer. Das heißt, Arbeitgeber trennen sich zuerst von Mitarbeitern, die keinen deutschen Pass haben. In Spanien etwa zog die boomende Wirtschaft nach der Einführung des Euro am Anfang des Jahrtausends massenhaft ausländische Arbeitskräfte an. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wurden viele der ausländischen Arbeitnehmer schneller wieder vor die Tür gesetzt als Spanier. Aus den Daten des Bundesamtes geht zudem hervor, dass die Beschäftigungsquote seit den Hartz-Reformen von 2005 angestiegen ist, wozu die damals neu strukturierte Arbeitsvermittlung beigetragen hat. Detaillierte Erhebungen gibt es dazu nicht.

Allerdings gehen die Verantwortlichen bei der Bundesanstalt für Arbeit davon aus, dass die jetzt von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Zuge der Flüchtlingskrise angekündigten Reformen der Jobcenter dazu beitragen werden, flexibel auf die neuen Anforderungen reagieren zu können. Alles, was Bürokratie abbaue, führe dazu, dass die Jobcenter sich auf ihre wichtigste Aufgabe, die "zielgenaue Vermittlung von Jobs" konzentrieren können, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage. In der Finanzkrise 2008 habe die Bundesagentur schon einmal gezeigt, dass sich unbürokratisches Handeln auszahle. Damals wurde kurz entschlossen das konjunkturelle Kurzarbeitergeld von 12 auf 18 Monate verlängert. Die Unternehmen wurden so davor bewahrt, Arbeitnehmer erst entlassen und dann wieder einstellen zu müssen. Im Ergebnis hatten die Betriebe ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung, als die Konjunktur wieder anzog. Langzeitarbeitslose und Berufseinsteiger haben es allerdings besonders schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. Immerhin sank die Erwerbslosenquote in Europa im Jahr 2014 erstmals wieder seit 2008, dem Jahr, in dem die Finanzkrise ausbrach. Das bedeutet, dass weniger EU-Ausländer über den Kontinent ziehen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

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