Arbeitslosengeld:Zustimmung zu Rüttgers' Vorstoß wächst

Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel können sich auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft und sogar die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vorstellen, das Arbeitslosengeld I gestaffelt nach Beitragsjahren auszuzahlen.

Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, betonte: "Das Prinzip, dass jemand, der lange Beiträge gezahlt hat, auch längere Zeit das Arbeitslosengeld I bezieht als ein junger Säufer, der nichts geleistet hat, ist richtig und sozial."

Jürgen Rüttgers, dpa

Abstufungen statt ein Niveau für alle? Jürgen Rüttgers' Vorstoß zur Staffelung des Arbeitslosengeldes sorgt für Diskussionen.

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Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warnte davor, die Initiative des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, Jürgen Rüttgers, auf dem bevorstehenden Parteitag in Dresden zu beschließen und sie an die Bundestagsfraktion zu überweisen, um sie dort in aller Stille zu beerdigen. "Mit meinem Politikverständnis wäre das nicht vereinbar. Das wäre genau der Mangel an Ernsthaftigkeit beim Umgang mit Themen, den sich Parteien nicht erlauben dürfen", sagte Lammert.

Im Ansatz sei der Rüttgers-Vorschlag richtig, betonte auch Verdi-Chef Frank Bsirske. Zugleich warnte er jedoch vor einer Umverteilung zu Lasten der jüngeren Arbeitslosen. Es gebe andere Möglichkeiten, die Mehrausgaben zu finanzieren, sagte Bsirske und verwies auf die Überschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit und die verbesserten Steuereinnahmen.

Breite Mehrheit der Bürger für Rüttgers' Idee

Laut ZDF-Politbarometer unterstützen 80 Prozent der Bundesbürger den Rüttgers-Plan. Die Finanzierung einer solchen Maßnahme sollte nach Meinung von 48 Prozent der Befragten durch zusätzliche Steuermittel erfolgen. 25 Prozent sprachen sich für eine kürzere Bezugszeit des Arbeitslosengeldes bei denen aus, die noch nicht so lange Beiträge bezahlt haben. Zwölf Prozent waren für eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Rüttgers selbst bekräftigte seinen Vorstoß. "Ich bleibe mit rund 80 Prozent der Bevölkerung bei meiner Auffassung, dass auch in der Arbeitslosenversicherung sich Leistung lohnen muss", sagte der CDU-Politiker. Er sei sehr dankbar, dass Kanzlerin Merkel hinter seiner Initiative stehe. Sein Vorschlag mache klar, dass die CDU für Wachstum sorge, aber auch eine Politik der sozialen Sicherheit vertrete.

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber erwartet beim CDU-Parteitag eine heftige Diskussion über den Rüttgers-Vorschlag. Es gehe um die Frage, ob eine jahrzehntelange Beitragszahlung einen höheren Stellenwert bekomme. Die CSU werde einer Lösung, die kein zusätzliches Geld koste, zustimmen, kündigte der CSU-Parteivorsitzende dem Bericht zufolge an.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sieht ungeachtet der anhaltenden Diskussion keinen Richtungsstreit in seiner Partei. "An dem Prinzip, dass lebenslange Arbeit ein Privileg auch bei der Arbeitslosenversicherung ist, gibt's überhaupt keine Diskussion." Mit Blick auf den CDU-Parteitag in der kommenden Woche in Dresden sagte Koch über den Rüttgers-Vorstoß: "Ich versuche, mich nicht davon zu distanzieren. Ich habe klar gesagt, ich halte das für keine Grundsatzfrage. (...) Deshalb wird es mit mir auf dem Parteitag darüber keine Diskussionen geben."

Lob und Tadel für Köhlers Haltung

SPD-Fraktionschef Peter Struck nahm derweil Bundespräsident Horst Köhler vor Kritik aus Reihen der Union in Schutz. Der Bundespräsident habe völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Vorschlag unsozial sei und erklärt, "dass die Arbeitslosenversicherung eine Risikoversicherung ist, nicht eine Art der Lebensversicherung".

Kritik äußerten dagegen die Grünen. Köhler habe zwar "in der Sache recht", sagte der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck. "Allerdings ist die Frage nicht unberechtigt, ob es zwingend ist, dass sich der Bundespräsident so im Detail in die Tagespolitik einmischt."

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) betonte dagegen: "Die Union hat sich - zu Recht finde ich - in der Sache anders entschieden, als es der Herr Bundespräsident erwartet."

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