Apotheken:Zwischen Notdienst und Nebengeschäft

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Sie verdienen mehr als früher und werden trotzdem immer weniger: So steht es um Deutschlands Apotheker.

Von Thomas Öchsner

Sie sind Tag und Nacht für die Patienten da, bieten Pillen, Pasten und Pulver bei großen Schmerzen und kleinen Wehwehchen und stehen in der Gunst der Bürger fast ganz oben: Apotheker werden in Deutschland sehr geschätzt. Nur Feuerwehrleuten, Rettungssanitätern und Krankenschwestern schenken die Bundesbürger mehr Vertrauen, heißt es in einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK. Apotheker liegen damit in der Skala der Wertschätzung sogar noch vor den Ärzten. Die Zahl der Apotheken sinkt aber seit Jahren. Eine Bestandsaufnahme:

Schleichender Rückgang: Ende 2016 wurden in Deutschland 20 023 Apotheken gezählt. Das ist nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände (ABDA) der niedrigste Stand seit der deutschen Wiedervereinigung. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 existierten noch etwa 2000 Apotheken mehr im Land.

Vorsichtiger Nachwuchs: Derzeit werden mehr Apotheken geschlossen, als neue eröffnet werden. Das liegt nicht nur am verstärkten Konkurrenzkampf auch mit den Internetapotheken. Viele junge Pharmazeuten scheuen das Risiko, als Einzelkämpfer eine Apotheke zu führen. Sie fragen sich, ob die Arzneimittelpreise stabil bleiben und die Versorgung mit Medikamenten weiter so organisiert wird wie jetzt. Viele Frauen legen Wert darauf, Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können, das wird als Chef einer Einzelapotheke mit 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit schwierig. Außerdem funktioniert eine Apotheke ohne Arzt in der Nähe nicht. Weniger Hausärzte auf dem Land heißt deshalb auch weniger Landapotheken.

Größere Kuchenstücke: Die Zahl der Apotheken sinkt, die Bevölkerung wächst. Die einzelnen Kuchenstücke, die zu verteilen sind, werden also eher größer, wobei Deutschland mit 25 Apotheken pro 100 000 Einwohner unterhalb des europäischen Durchschnitts von 31 liegt. In Griechenland gibt es im Verhältnis zur Bevölkerung mehr als dreimal so viele Apotheken wie in der Bundesrepublik. In Dänemark kommen hingegen nur sechs Apotheken auf 100 000 Einwohner - hier gibt es manche Medikamente sogar an der Tankstelle.

Steigende Verdienste: Im Durchschnitt lag der Gewinn einer Apotheke 2015 nach Angaben der ABDA bei 136 000 Euro im Jahr. Zwei Jahre vorher waren es noch 127 000. Der Dachverband der Apothekenverbände merkt dazu an: Davon müsse der Apothekeninhaber aber noch Steuern zahlen, gegebenenfalls in die Apotheke investieren und für das Alter vorsorgen.

Kleine Nebengeschäfte: Auch wenn viele Apotheken mehr und mehr wie Supermärkte aussehen, der Schein trügt. 2015 machten die Apotheken laut ABDA fast 86 Prozent des Umsatzes durch das Einlösen von Rezepten. Alles andere kommt in die Kasse durch den Verkauf von Kosmetika, Nahrungsergänzungsmitteln und anderen Produkten sowie durch den Verkauf von nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Durchschnittlich setzt eine Apotheke mehr als zwei Millionen Euro jährlich um. Etwa 60 Prozent erreichen diesen Wert nicht - dafür sind sie schlichtweg zu klein.

Honorar für Arzneiabgabe: Mancher Patient fragt sich: Was verdient ein Apotheker an meinen Pillen? Seit 2013 liegt das Honorar für die Ausgabe eines rezeptpflichtigen Arzneimittels bei 8,35 Euro, abzüglich eines Abschlags von 1,77 Euro für die gesetzlichen Krankenkassen. Damals wurde das Honorar, mit dem auch die Beratung abgegolten ist, erstmals seit 2004 um 25 Cent erhöht. Trotzdem geht nur etwa jeder siebte Euro, den die gesetzliche Krankenversicherung für Arzneimittel ausgibt, an die Apotheken. Den größten Teil dieses Milliardenkuchens schluckt die Pharmaindustrie.

Höhere Zuzahlung: Was die Patienten hinzuzahlen, geht nicht an die Apotheken, sondern an die Krankenkassen. Gesetzlich Versicherte müssen bei verordneten Arzneimitteln mindestens fünf und höchstens zehn Euro dazuzahlen. Manche Medikamente sind zuzahlungsfrei und manche Versicherte von den Zahlungen befreit. Im Durchschnitt sind daher pro Packung 2,80 Euro fällig. 2010 waren es noch 2,40 Euro.

Ungeliebter Notdienst: Keine Geschäftsfrau und kein Geschäftsmann würde nachts öffnen, wenn sich das nicht lohnt. Die Apotheker müssen jedoch regelmäßig Notdienste übernehmen. Dafür erhielten sie im vierten Quartal 2015 eine Pauschale von 278 Euro pro Nacht. Der Betrag schwankt geringfügig, weil er aus einem Sonderfonds gespeist wird. Finanziert wird die Pauschale aus einem Zuschlag von 16 Cent, der für jedes rezeptpflichtige Medikament fällig wird. Je mehr von diesen Arzneimitteln in einem Jahresquartal verkauft wird, desto höher die Pauschale. Hinzu kommt ein Zuschlag von 2,50 Euro pro Patient, der sich beim Nacht- und Notdienst mit Medikamenten versorgt.

Nicht ohne Studium: In Deutschland darf seit 1958 überall eine Apotheke gegründet werden. Es herrscht uneingeschränkte Niederlassungsfreiheit, der Staat prüft den Bedarf nicht. Ein Apotheker darf neben einer Hauptapotheke höchstens drei Filialen betreiben, die alle in einer Region liegen müssen. Nötig für die Eröffnung ist aber ein Pharmaziestudium. Einen garantierten Studienplatz gibt es je nach Uni nur mit einer Abiturnote von nicht schlechter als um die 1,5. Nach Abschluss des Studiums folgt die staatliche Zulassung (Approbation) zum Apotheker.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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