Apotheken-Urteil:"Schnellschüsse unter Lobbydruck"

SPD stellt sich gegen das Verbot des Arzneimittelversandhandels, das Gesundheitsminister Gröhe (CDU) plant.

Von Kim Björn BeckER

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stößt bei seinem Vorhaben, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu verbieten, auf immer größeren Widerstand des Koalitionspartners SPD. Der Gesundheitspolitiker und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seine Partei sei "zu einem kurzfristigen Verbot nicht bereit". Dies habe man dem Gesundheitsminister und seiner Partei mitgeteilt. Lauterbach hatte sich zwar bereits zuvor sehr kritisch zu Gröhes Plan geäußert, die Ablehnung seiner Partei aber nicht so klar zum Ausdruck gebracht wie jetzt.

Gesundheitsminister Gröhe hat ein gesetzliches Verbot des Medikamenten-Versandhandels öffentlich befürwortet, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) Mitte Oktober die deutsche Arzneimittel-Preisbindung gekippt hatte. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die hiesige Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien auch für ausländische Versandapotheken gilt. Die Richter haben dies verneint und klargestellt, dass ausländische Händler - anders als in Deutschland ansässige Apotheken - durchaus Rabatte gewähren dürfen. Alles andere behindere den freien Handel in Europa. Die Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände (ABDA) zeigte sich über den Richterspruch "entsetzt" und warnte indirekt sogar davor, dass dadurch mehr Apotheken schließen könnten und somit die flächendeckende Versorgung der Deutschen mit Arzneien in Gefahr geraten könnte. Zugleich schlug der Verband vor, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu verbieten. Dies sei "die am nächsten liegende Option und europarechtlich zulässig", behauptete er.

Vor dem Hintergrund, dass Gröhe sich dieser Position rasch angeschlossen hatte, bezeichnete der SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach dessen Pläne nun als "Schnellschüsse unter Lobbydruck". Dafür seien die Sozialdemokraten nicht zu haben. Man müsse "die Interessen der Patienten und Versicherten in den Vordergrund stellen und nicht reflexartig die Einkommensängste bestimmter Apotheker". So könne der Versandhandel sogar dazu beitragen, dass die Menschen auf dem Land gut versorgt werden. Um die Interessen der Apotheker zu wahren, müsse stattdessen über eine Reform ihrer Honorierung nachgedacht werden.

Außer dem CDU-Politiker Gröhe hat sich die Schwesterpartei CSU dafür ausgesprochen, die neue Konkurrenz der Apotheker mit einem Verbot zu belegen. Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte, es dürfe nun keine "Rosinenpickerei zulasten der Apotheken vor Ort" geben. Auch die Linkspartei ist für ein Verbot des Versandhandels. Die SPD wiederum erhält Unterstützung von den Grünen. Diese zweifeln daran, dass ein Verbot vor dem Europarecht Bestand hätte.

Medikamente

Buntes Chaos: Auch der Apothekerverband könnte verstrickt sein.

(Foto: dpa)
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