Anzeigen-Streit in der Linkspartei:Groll gegen Gysi

Fraktionschef Gregor Gysi will wegen einer journalistischen Ode an den Mauerbau nicht mehr in der "Jungen Welt" Anzeigen schalten - der Boykott ärgert Linke-Abgeordnete.

Daniel Brössler, Berlin

Auch wenn das einstige FDJ-Blatt mit einer Ode an den Mauerbau vor einigen Wochen viele Linke verärgert hat: Für manche ist die Junge Welt immer noch in Ordnung. In der Ausgabe vom Dienstag etwa fordert in einer Anzeige auf der dritten Seite die linke Europaabgeordnete Sabine Lösing: "Die gemeinsame Kriegspolitik von EU und Nato muss aufhören. Alle EU-Auslandseinsätze sofort beenden."

Gregor Gysi Linke Stasi IM Falschaussage

Ärger über die "Junge Welt": Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Linken

(Foto: dpa)

Diese Werbung haben die Linken im Europaparlament auch im Online-Auftritt der Tageszeitung geschaltet. Mindestens so sehr wie gegen die Nato richten sie sich damit gegen den Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi. Dieser hatte Anzeigenschaltungen in dem Medium gestoppt, nachdem die Junge Welt auf der ersten Seite in einem großformatigen Artikel für den Mauerbau gedankt hatte.

Damit freilich ist er nun in den eigenen Reihen auf Widerstand gestoßen. In eigener Sache veröffentlichte die Junge Welt am Dienstag einen Aufruf, den 30 Abgeordnete der Linksfraktion unterschrieben haben. Sie bezeichnen die Titelseite der Zeitung zum 50. Jahrestag des Mauerbaus zwar als "unhistorisch, unpassend und geschmacklos", stellen jedoch fest: "Wir halten es aber für völlig inakzeptabel, als Konsequenz die Anzeigenschaltung und Zusammenarbeit mit der Jungen Welt einzustellen."

Die Zeitung sei "ein wichtiger Bestandteil einer insgesamt nicht sehr großen linken Medienlandschaft in der Bundesrepublik". Das sind die Worte, die sich eindeutig gegen Gysi richten. Denn dieser habe mit dem Anzeigenstopp "vollendete Tatsachen geschaffen, ohne die Beschlusslage der Fraktion abzuwarten", beklagt die Abgeordnete Ulla Jelpke, die früher als Redakteurin der Jungen Welt gearbeitet hat. "Es gibt Punkte, bei denen man sich den Ratschlag des Genossen Gysi zu eigen machen sollte", sagt hingegen Jan Korte vom Reformerflügel.

Gysi will von dem Thema bis zur Landtagswahl in Berlin am 18. September nichts hören. "Die Fraktion wird sich zu gegebener Zeit damit befassen", teilte Fraktionssprecher Hendrik Thalheim mit. Das Wohl und Wehe der Fraktion hänge nicht davon ab, wann sie sich mit einer "kleinen Zeitung" beschäftige. Entschieden werde nur nach werblichen Gesichtspunkten. Man solle die Zeitung nicht zum Märtyrer machen, rät Vize-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Für ihn selber gelte: "Ich ignoriere die Junge Welt."

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