Antrittsbesuch:Streit über EU-Beitritt prägt Merkels Türkei-Reise

Im Konflikt um die Anerkennung Zyperns scheinen die Fronten zwischen Ankara und der EU weiter verhärtet. Allerdings deutete die Kanzlerin einen möglichen Ausweg an.

Jens Schneider

Im Streit über die Öffnung der türkischen Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern gibt es noch keine Lösung.

Allerdings hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Antrittsbesuch als Kanzlerin in der Türkei angedeutet, dass ein Vorschlag der finnischen EU-Ratspräsidentschaft einen Ausweg weisen könnte.

Einzelheiten zu diesem Vorschlag nannte die Kanzlerin indes nicht. Nach Angaben aus EU-Kreisen schlägt Finnland vor, einen Hafen im türkischen Teil der Insel für den internationalen Handel zu öffnen; dies würde es der türkischen Regierung ermöglichen, eine Hafenöffnung für die griechischen Zyprer innenpolitisch zu vertreten.

Die Kanzlerin war in Ankara mit militärischen Ehren empfangen worden. Nach dem ersten Gespräch mit Erdogan stattete Merkel Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer einen Kurzbesuch ab.

"Das Ankara-Protokoll muss erfüllt werden"

Der Konflikt um die Öffnung der türkischen Häfen für Zypern könnte die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union noch in diesem Jahr zum Erliegen bringen.

Nach dem sogenannten Ankara-Protokoll soll die Türkei bis Ende diesen Jahres ihre Häfen für Zypern öffnen, andernfalls sollen die Beitrittsverhandlungen ausgesetzt werden. Diese Öffnung käme faktisch einer Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern gleich.

"Das Ankara-Protokoll muss erfüllt werden", betonte Merkel. Die Türkei müsse die Häfen für zyprische Schiffe öffnen. Der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan machte dagegen zur Bedingung, dass zuvor die internationale Isolation des türkischen Nordzypern beendet werde.

Die entsprechenden Zusagen der EU müssten eingehalten werden, sagte Erdogan. Solange dies nicht geschehe, wäre es nicht gerecht, von der Türkei die Öffnung ihrer Häfen für Zypern zu verlangen.

Der türkische Ministerpräsident warb in einer Rede am Abend in Istanbul intensiv für den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Erdogan unterstützte auch die Bemühungen der Bundesregierung um die Integration der in Deutschland lebenden 2,5 Millionen Türken.

Erdogan und die Kanzlerin nahmen gemeinsam an einem Iphta-Mahl, dem traditionellen Fasten-Brechen, teil. "Es geht hier um den Willen, ein muslimisches Land in Europa zu integrieren", sagte Erdogan.

Keinen neuen eisernen Vorhang aufbauen

Die christliche und die islamische Welt, der Westen und der Osten, müssten zusammengebracht werden. "Man versucht einen neuen eisernen Vorhang aufzubauen", warnte Erdogan davor, die Kulturen voneinander zu isolieren.

Mit Blick auf den angestrebten EU-Beitritt der Türkei mahnte der Ministerpräsident, nicht zuvorderst mögliche negative Folgen eines Beitritts zu suchen, sondern die Vorteile zu sehen. Die Türkei könne, wie schon bereits als Nato-Mitglied, als Teil der EU einen sehr wichtigen Beitrag für den Frieden in der Region leisten.

Als sehr positiv bewertete Erdogan den Integrationsgipfel, der im Frühsommer auf Initiative des Kanzleramts in Berlin stattgefunden hatte. Dezidiert sprach er sich für eine weitere Integration der Türken in Deutschland aus: Die Türken in Deutschland müssten "unbedingt Deutsch lernen", sagte Erdogan. Sie sollten zunächst ihre Muttersprache und dann auf jeden Fall die deutsche Sprache erlernen.

Kanzlerin Merkel betonte in ihrer Rede das besondere Interesse Deutschlands an der Annäherung der Türkei an die Europäische Union. Sie sprach die Beitrittspläne der Türkei aber nicht an.

Wie Erdogan warb die Kanzlerin für einen offenen Dialog der Kulturen. Dies sei um so wichtiger, "da wir doch alle oft genug in der Gefahr schweben, mehr übereinander zu reden als miteinander", sagte Merkel. Der türkische Ministerpräsident hatte zuvor gesagt, dass es eine Mentalitätsänderung erreicht werden müsse.

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