Anti-Terror-Vorschläge:"Schäuble will das US-Prinzip einführen"

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Die neuen Vorstöße des Bundesinnenministers sind auf harsche Kritik gestoßen. Polizeigewerkschaftschef Freiberg nennt Schäuble "unverantwortlich". Und Ex-Innenminister Baum glaubt, das Kalkül seines Amtsnachfolgers durchschaut zu haben.

Oliver Das Gupta

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat seinen Amtsnachfolger massiv kritisiert. Baum sagte sueddeutsche.de, Wolfgang Schäuble sei auf dem Weg zu neuen Ausnahmegesetzen. Eine Abkehr der bisherigen Strategie der Terrorismusbekämpfung stehe bevor. "Das Strafrecht soll teilweise durch Kriegsrecht ersetzt werden", sagte Baum. "Das Prinzip heißt nicht länger Freiheit durch Sicherheit, sondern: Freiheit für Sicherheitsmaßnahmen."

In der Kritik: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. (Foto: Foto: dpa)

Schäuble male einen "Ausnahmezustand an die Wand" und meine, sich von den Fesseln des Grundgesetzes lösen zu können, so Baum weiter. "Nach dem Motto: Dann ändern wir es eben."

Baum sagte, hinter Schäubles sehr weitgehenden Vorstößen stecke Kalkül: "Er glaubt: 'Es reicht ja schon, wenn ich etwas von den Vorschlägen durchbringe. Die Kritiker wären erleichtert, wenn sie einige Sachen verhindert haben.'"

Baum, der unter Helmut Schmidt das Innenressort leitete, verglich Schäubles Pläne mit den umstrittenen Anti-Terror-Maßnahmen der Bush-Regierung. "Während in den USA die Zweifel wachsen, ob Krieg die richtige Antwort auf Terror ist, versucht Schäuble dieses Prinzip hier einzuführen - durch neue Formen der Freiheitsentziehung, den Einsatz der Bundeswehr im Inland und anderes."

Die Terrorbekämpfung solle zum Verteidigungsfall werden, sagte Baum und rief zu einer "nüchternen Debatte" über Sicherheit und die Bekämpfung von Terrorismus auf. "Schäuble will ein Klima der Angst schaffen", behauptete Baum. "Aber diese Angst kann mitunter schlimmere Folgen haben als der Terror selbst."

Als einer der Gründe für Schäubles Kurs nannte Baum die "Persönlichkeitsstruktur" seines Amtsnachfolgers, ohne darauf näher einzugehen. Außerdem sagte der Liberale: "Der Minister möchte im Falle eines Anschlages sagen können: Ich habe alles unternommen".

Ähnlich hatte sich zuvor der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, geäußert. Wörtlich sagte er im Gespräch mit sueddeutsche.de: "Der Innenminister betreibt eine vorbeugende Rechtfertigungsstrategie, um eigene Versäumnisse und Fehler zu kaschieren." Sollte etwas passieren, wolle Schäuble sagen können, er habe ja gewarnt.

Die neuen Vorstöße Schäubles nannte Freiberg "unverantwortlich". Der Minister mache das aus parteipolitischem Interesse. Es sei nicht notwendig, neben den bestehenden Gesetzen "Kriegs- und Polizeirecht zu vermengen."

10.000 Polizisten weniger seit 9/11

Allerdings räumte der Gewerkschaftschef ein, dass sich Deutschland "in einer ernsthaften Gefahr befände" und es Sicherheitsdefizite gebe. "Dazu haben auch diejenigen beigetragen, die immer weitere Verschärfungen vorschlagen", sagte Freiberg und nannte ein Beispiel: "Wir haben seit dem 11. September 2001 zehntausend Polizisten weniger. Wir sind derzeit personell nicht in der Lage, die Gefährder ausreichend zu überwachen."

Schäuble hatte dafür plädiert, die staatlichen Befugnisse gegen Terror-Sympathisanten deutlich auszuweiten. Er schlug die Schaffung eines Straftatbestands der Verschwörung vor. Gefährlichen Personen sollte die Nutzung des Internets und des Handys untersagt werden können.

Schäuble erinnerte zudem daran, dass es in Extremfällen wie der gezielten Tötung von Terroristen eine ungeklärte Rechtslage in Deutschland gebe.

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