Anti-Terror-Kampf:Kanzlerin kritisiert Türkei wegen Angriffen auf Kurden

Merkel mahnt die Regierung in Ankara zum "Maßhalten". Die USA hingegen betonen das Recht der Türken auf Selbstverteidigung. Die weiten ihren Einsatz gegen PKK und IS aus.

Von Mike Szymanski und Stefan Braun, Istanbul

Als Reaktion auf türkische Angriffe hat die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK den bisher geltenden Waffenstillstand mit der Türkei für "sinnlos" erklärt. International wächst nun die Sorge vor einer Eskalation der Gewalt zwischen Kurden und Türken. Bundeskanzlerin Angela Merkel bat nach Angaben ihres Sprechers in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu, "den Friedensprozess mit den Kurden nicht aufzugeben, sondern trotz aller Schwierigkeiten an ihm festzuhalten".

Nachdem türkische Kampfjets Stellungen der PKK im Nordirak bombardiert hatten, erklärte ein Sprecher der Kurden am Wochenende, die Türkei habe den Waffenstillstand "faktisch beendet". Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, die türkische Regierung habe in den vergangenen Jahren "Mut, feste Entschlossenheit und Weisheit bewiesen" und sich für eine politische Lösung des Konflikts eingesetzt. Dies dürfte nicht gefährdet werden.

Die USA hingegen betonten, Ankara habe das "Recht", gegen "terroristische Ziele" vorzugehen. Der Vize-Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama, Ben Rhodes, erinnerte am Sonntag daran, dass die USA die PKK als "Terrororganisation" einstuften. Auf Wunsch der Regierung in Ankara kommt am Dienstag der Nordatlantikrat der Nato zusammen, um über die Lage an der Grenze des Landes zu Syrien und dem Irak zu beraten. Das teilte das Militärbündnis am Sonntag mit.

Seit vergangenem Freitag steht die Türkei in einem heftigen Antiterrorkampf. Ihre Luftwaffe hat begonnen, Stellungen des IS in Syrien zu bombardieren. Gleichzeitig gehen die Sicherheitskräfte gegen die PKK vor. Deren Kämpfer hatten vergangenen Dienstag zwei türkische Polizisten ermordet, die sie für Komplizen des IS hielten, der mit den Kurden verfeindet ist.

Das türkische Militär dehnte am Wochenende seine Einsätze gegen die Kurden im Nordirak und gegen den IS aus. "Die Operationen gehen weiter, so lange die Türkei bedroht wird", sagte Ministerpräsident Davutoğlu nach den Luftschlägen. Nach Angaben aus dem Irak wurde mindestens ein Kurdenkämpfer dabei getötet. Am Sonntag kamen bei einem Autobombenanschlag im kurdisch geprägten Südosten des Landes zwei türkische Soldaten um, vier weitere wurden verletzt. Die Armee machte die PKK verantwortlich. In Berlin löste das Vorgehen der Türkei gegensätzliche Reaktionen aus. Während Regierung und Oppositionsvertreter die Entscheidung Ankaras begrüßten, nun doch gegen den IS vorzugehen, stießen die türkischen Angriffe auf Stellungen der PKK auf Unverständnis. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen lobte die Türkei zunächst für ihren Einsatz gegen den IS, übte wenig später jedoch Kritik an dem Vorgehen gegen die PKK. Der Co-Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, erklärte, man könne den Eindruck haben, die Türkei nutze den Kampf gegen den IS als Vorwand, um die Kurden anzugreifen - und damit ausgerechnet jene, die im Irak an vorderster Front gegen die Dschihadisten kämpften.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: