Anti-Terror-Gesetze:Instrumentarium des Grauens

Thomas de Maiziere

Was Vorschläge zur inneren Sicherheit angeht, schenken sich Bundesinnenminister de Maizière und seine Länderkollegen wenig.

(Foto: AFP)
  • Die Innenminister von Bund und Ländern kommen in Dresden zusammen, um über Terrorgefahr und innere Sicherheit zu diskutieren.
  • Im Vorfeld kursieren bereits einige Vorschläge: Fusion des Verfassungsschutzes, Ausdehnung der Schleierfahndung, Einsatz von Gesichtsscannern bei der Terroristensuche.
  • Weitgehenden Konsens gibt es bislang nur beim Ziel, Eingriffsmöglichkeiten in verschlüsselte Messenger-Dienste wie Whatsapp zu schaffen.

Von Stefan Braun, Berlin

Neue Gesetze, neue Regeln, neue Beschlüsse - im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität gibt es kaum Tage, in denen keine neue Idee durch die Republik schwappt oder eine alte neu aufgepeppt reanimiert wird. Besonders hoch ist die Frequenz, wenn wie jetzt in Dresden ein Treffen der Innenminister von Bund und Ländern bevorsteht. Jeder will noch mal, und wer noch nicht hat, wird bestimmt noch - so lautet die ungeschriebene Regel im Kreise der Innenpolitiker.

Dabei schenken sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seine Länderkollegen wenig. Bei ihm wie bei ihnen geht es ja nicht nur um eine bessere Verbrechensbekämpfung, sondern immer wieder auch um die persönliche Profilierung. Dabei hat der Bundesminister qua Amt ein besonderes Interesse: Er ist quasi dauertrommelnd unterwegs, weil alle etwaigen Fehler im Anti-Terror-Kampf zuallererst bei ihm abgeladen werden. Vorauseilende Warnrufe und Aktionen werden dadurch nicht besser; man kann sie sich nur besser erklären.

Auch dieses Mal mahnt der Minister eine bessere Abstimmung zwischen den Sicherheitsbehörden an - und warnt vor "unterschiedlichen Sicherheitszonen" in Deutschland. Außerdem hat er angekündigt, dass er für die Sicherheitsbehörden auch Eingriffsmöglichkeiten in verschlüsselte Messenger-Dienste wie Whatsapp schaffen möchte. Was die Polizei bei Telefonaten und SMS-Nachrichten dürfe, müsse auch beim Internet möglich werden, so der Minister. Zuletzt haben viele Attentäter und sogenannte Gefährder Dienste wie Whatsapp genutzt, weil die Sicherheitsbehörden zu ihnen keinen wirklichen Zugang haben. Letzte Idee des Ministers vor dem Treffen in der sächsischen Landeshauptstadt: Er will Terroristen bei öffentlichen Fahndungen auch mit Gesichtsscannern jagen dürfen.

Konsens gibt es bislang nur beim Ziel, das Problem mit den Messenger-Diensten anzugehen

Neben de Maizière hat sich natürlich auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gemeldet, was damit zu tun haben dürfte, dass er de Maizière nach der Wahl im Herbst als Bundesinnenminister beerben möchte. Herrmann fährt mit der Forderung nach Dresden, die sogenannte Schleierfahndung auf das gesamte Bundesgebiet auszudehnen. Sie gestattet den Länderpolizeien in grenznahen Regionen auch anlasslose Kontrollen, beispielsweise wenn sie den Verdacht haben, dass in einem Container Flüchtlinge geschmuggelt werden. Bislang ist das in einer Zone bis zu 35 Kilometer ins Landesinnere hinein gestattet.

Während dies von vielen Innenministern unterstützt werden könnte, stößt eine andere Idee Herrmanns auf scharfen Widerstand: der Vorschlag, auch Kinder von Eltern, die sich im islamistischen Umfeld bewegen, vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Herrmanns rheinland-pfälzischer Kollege Roger Lewentz (SPD) hat das bereits strikt abgelehnt. Für ihn und die SPD sei das "generell undenkbar", so Lewentz im Deutschlandfunk.

Den bemerkenswertesten Vorschlag haben indes weder de Maizière noch Herrmann noch Lewentz geliefert. Er kommt dieses Mal von den Grünen; genauer gesagt von ihren beiden Innenexperten Irene Mihalic und Konstantin von Notz. Sie bringen die Idee ins Spiel, "einen einzigen Inlandsgeheimdienst zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr zu schaffen". Nach den Vorstellungen der beiden soll aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den zahlreichen Landesämtern eine gemeinsame Behörde werden - mit maximal vier bis sechs regionalen Außenstellen. Auch dieser Vorschlag ist nicht ganz neu. Zu Jahresanfang hatte de Maizière ganz allgemein die gleiche Idee lanciert - und war vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer sofort abgebügelt worden. So etwas werde "niemals" kommen, so der CSU-Chef.

Doch auch wenn er so schnell nicht Wirklichkeit werden dürfte, ist der Vorschlag für die Grünen bemerkenswert und sehr ungewöhnlich. Gerade sie, die stets vor zu mächtigen Geheimdiensten warnen, haben sich unter dem Eindruck der Pannen rund um den Berliner Attentäter Anis Amri und zahlreicher anderer Kommunikations- und Kompetenzprobleme zwischen Bundes- und Landesbehörden zu diesem Schritt entschieden. Sie kritisieren dabei auch, dass Bund und Länder gleich mehrere, fast gleich klingende Zwischeninstitutionen geschaffen haben, die alle ein zentrales Problem hätten: dass Verantwortlichkeiten nicht geklärt seien.

Gemeint sind das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum GTAZ, das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum GTEZ, das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration GASIM oder auch das Gemeinsame Cyber-Abwehrzentrum. Bei allem mangele es an "klaren Zuständigkeiten, gleichförmigen Verfahren und einer vereinheitlichten rechtlichen Grundlage". Dass diese Zentren in die Kritik geraten, ist nicht überraschend. Dass die Grünen einer Großorganisation wie einem gemeinsamen Verfassungsschutz das Wort reden, ist dagegen ein Novum. Aus diesem Grund verlangen sie im gleichen Atemzug mehr Transparenz, eine bessere Kontrolle - und vor allem den Aufbau eines Bundespräventionszentrums. Letzteres ist aus ihrer Sicht besonders wichtig, weil bisher alle De-Radikalisierungsanstrengungen von Bund und Ländern weitgehend unkoordiniert nebeneinander her laufen.

Am Mittwoch endet das Treffen der Innenminister. Weitgehenden Konsens gibt es bislang nur beim Ziel, das Problem mit den Messenger-Diensten anzugehen. Die meisten anderen Ideen dürften in Dresden verworfen werden - bis sie alsbald wieder als neue Forderungen auftauchen. Auf der Innenministerkonferenz gilt das Konsensprinzip; es müssen also alle zustimmen, um einen Vorschlag umzusetzen. Ein beinahe ideales Umfeld, um bestimmte Debatten immer und immer wieder zu führen.

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