Anti-Terror-Gesetze:Wer durch das BKA-Urteil nun besser vor Überwachung geschützt ist

Bundesverfassungsgericht verkündet Urteil zum BKA Gesetz

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe verkündet das Urteil zum BKA Gesetz. Laut dem Urteil ist das Gesetz in einigen Punkten nicht verfassungskonform.

(Foto: dpa)

Nach dem 11. September stattete der Gesetzgeber das BKA mit weitreichenden Befugnissen aus. Das Verfassungsgericht hat das wuchernde Gesetz nun zurechtgestutzt. Was das konkret bedeutet.

Von Wolfgang Janisch

Das Stück, das an diesem Mittwoch im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts gegeben wurde, kennt man mit geringen Abweichungen seit mehr als einem Jahrzehnt: Der Gesetzgeber verschärft die Gangart im Anti-Terror-Kampf, Bürgerrechtler klagen (in den Hauptrollen auch diesmal Burkhard Hirsch und Gerhart Baum), die Verfassungsrichter zerpflücken das Gesetz und rufen laut "Privatsphäre" und "Verhältnismäßigkeit". Man könnte sich an dieses vertraute Ritual fast gewöhnen, steckte da nicht diese trotzige Strategie dahinter: Regierung und Koalitionsfraktionen fertigen Paragrafen, deren Verfassungswidrigkeit sie zumindest ahnen, und schauen dann, was das Gericht davon übrig lässt.

Dieses sarkastische Fazit war am Mittwoch aus den Reihen der Bundesregierung zu hören, und in der Tat: Das BKA-Gesetz von 2009, Herzstück im sogenannten Kampf gegen den Terror, ist ein Werk, das klar jenseits der Grenzen des Grundgesetzes errichtet ist. Das konnte wissen, wer die früheren Urteile des Gerichts gelesen hat.

Deshalb sind neun Grünen-Politiker sowie eine Gruppe um Hirsch und Baum vor Gericht gezogen, zu der auch der Publizist Michael Naumann und Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, gehören. Nun ist amtlich festgestellt, was man vorhersehen konnte: Das Bundesverfassungsgericht hat die Novelle in vielen Punkten für verfassungswidrig erklärt.

Noch immer darf das BKA sehr viel

Das Bundeskriminalamt wurde 2009 zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus mit einem stattlichen Arsenal an Befugnissen ausgestattet, um Verdächtige und deren Kontaktpersonen heimlich zu überwachen und auszuforschen - in ihren Wohnungen, ihrem Umfeld und durch ihre Computer. Das Karlsruher Urteil sagt zunächst einmal: Grundsätzlich darf das BKA dies nach wie vor.

Online-Durchsuchung mithilfe von Staatstrojanern bei den Syrien-Rückkehrern aus den Reihen des "Islamischen Staates", Lauschangriffe in Wohnungen, das Abhören von Telefonen, das Observieren Verdächtiger mit Peilsendern und Richtmikrofonen - all das bleibt dem BKA erlaubt. Sogar die "optische Wohnraumüberwachung" ist gestattet, also die Kamera im Wohnzimmer. Ebenso die sogenannte Quellen-TKÜ, also das Infiltrieren von Computern zum Abhören von Skype-Telefonaten - trotz der Kritik, dass man solche Überwachungen technisch nie auf die bloße Kommunikation beschränken könne. Und dies alles im "Vorfeld" möglicher Terrorakte.

Allerdings stutzt der Erste Senat des Gerichts - zuständiger Berichterstatter war Johannes Masing - das wuchernde Gesetz auf ein rechtsstaatliches Maß zurück. Und zwar in einem 118-Seiten-Urteil, das den Schlussstein aus seiner Rechtsprechung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bildet, die mit dem Lauschangriff-Urteil im Jahr 2004 begonnen hatte. Es ist das aufwendigste Urteil in dieser Reihe, und es zieht die Summe aus zwölf Jahren des schwierigen Ausbalancierens von Sicherheit und Freiheit. So akribisch, dass Michael Eichberger und Wilhelm Schluckebier in ihren abweichenden Voten rügen, der Senat mache dem Gesetzgeber zu detaillierte Vorgaben.

Das Urteil buchstabiert aus, was der Schutz der Privatsphäre bedeutet

Ein zentraler Punkt des Senats ist der Schutz der Privatsphäre, der in mehreren Paragrafen viel zu dürftig ausgefallen ist. Bereits im Urteil zum Lauschangriff hatte das Gericht festgelegt, dass ein wirksamer Schutzwall um den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" errichtet werden müsse, also um intimste Dinge, die von den Mikrofonen und Kameras der Lauscher aufgenommen werden.

Nun haben die Richter ausbuchstabiert, was das konkret bedeutet: Die Daten aus einer Wohnraumüberwachung müssen von einer "unabhängigen Stelle" gesichtet werden, bevor sie in die Hände des BKA geraten. Die Protokolle müssen also beispielsweise von einem Richter durchgesehen werden, der vertrauliche Gespräche zwischen Eheleuten aussortiert.

Das ist kein schwächlicher Schutz der Grundrechte, sondern einer, der anpackt: Die Sichtung der Abschriften wird echten Arbeitsaufwand bedeuten. Gleiches gilt für die Online-Durchsuchung. Denn die Festplatte ist nicht weniger intim als das Schlafzimmer, haben die Richter klargestellt. Zwar sieht das Gesetz schon jetzt vor, dass privateste Daten aussortiert werden müssen. Damit betraut sind allerdings BKA-Beamte - der Bock wird zum Gärtner, würde der Volksmund lästern. Karlsruhe ordnet nun an, dass die Prüfer unabhängig vom BKA sein müssen. Und auch sonst dringt das Gericht auf die Wahrung der Privatsphäre, etwa bei der Observierung im Auto oder im Restaurant.

Der Senat hebt die Schwelle, ab der jemand überwacht werden darf

An mehreren Stellen rügt der Senat zudem, die Überwachung werde fast schon ohne nennenswerte Voraussetzungen erlaubt. Das gilt etwa für die Observation von Personen außerhalb von Wohnungen, eine Maßnahme, die harmloser klingt als sie ist: Denn mit allerlei elektronischem Gerät, aber auch mit V-Leuten und verdeckten Ermittlern lässt sich ein ziemlich detailliertes Persönlichkeitsbild zeichnen.

Bevor solche Mittel eingesetzt werden dürfen, müsse wenigstens einigermaßen konkret erkennbar sein, welche Art von Terrorgefahr damit bekämpft werden solle, mahnt das Gericht; die Prognose dürfe sich nicht allein auf "allgemeine Erfahrungssätze" stützen. Die Schwelle ist also zu niedrig.

Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten "Kontakt- und Begleitpersonen" - also Menschen, die womöglich ins Visier der Fahnder geraten, weil sie einfach nur die falschen Freunde haben. Laut BKA-Gesetz waren gegen sie sogar Lauschangriffe zulässig - was das Gericht nun sehr entschieden unterbunden hat.

Letztlich ist das Urteil also eine Komplettreparatur eines Gesetzes voller rechtsstaatlicher Defekte. Das Gericht mahnt Richtervorbehalte an, führt Protokollierungspflichten ein, verfügt die zügige Löschung nicht mehr erforderlicher Daten. Und es rügt die merkwürdige Differenzierung beim Schutz der "Berufsgeheimnisträger": Dass Strafverteidiger hier mehr Schutz verdienen als normale Anwälte, leuchtet dem Gericht nicht ein.

Erstmals legt das Gericht zudem fest, unter welchen Voraussetzungen das BKA seine Geheimdaten an ausländische Dienste weitergeben darf. Erstens müsse sich das BKA "vergewissern", dass dort ein "menschenrechtlich und datenschutzrechtlich vertretbarer Umgang" mit den Daten herrsche. "Keinesfalls darf der Staat seine Hand zu Verletzungen der Menschenwürde reichen." Zweitens müsse ein "angemessenes" datenschutzrechtliches Niveau herrschen - der Senat zitiert hier ausdrücklich das Facebook-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom vergangenen Herbst. Das Gericht bleibt natürlich abstrakt in diesem Punkt. Aber für den Austausch mit den Partnerdiensten in den USA, wo für Terrorkampf und Datenschutz andere Maßstäbe gelten, könnte diese Einschränkung Konsequenzen haben.

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