Anti-Islam-Partei "Die Freiheit":Geert Wilders light

René Stadtkewitz bewundert den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, aber "so krasse Sprüche" wie sein Vorbild will er in seiner Partei "Die Freiheit" nicht machen. Die neue deutsche Anti-Islam-Bewegung präsentiert sich handzahm.

Jan Bielicki

Die Frage kommt öfter, René Stadtkewitz kennt sie bereits: "Warum hat Herr Sarrazin kein Interesse, sich an der Bewegung zu beteiligen?", will ein Mann im Bürgersaal des Gießener Stadtteils Wieseck wissen. "Weil er in einer anderen Partei ist", antwortet Stadtkewitz.

Niederlaendischer Rechtspopulist Wilders in Berlin

Er war Anfang Oktober 2010 der Stargast bei einer Veranstaltung der von René Stadtkewitz gegründeten Partei "Die Freiheit": Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders (links).

(Foto: ddp images/dapd/dapd)

Und weil, könnte er hinzufügen, der Sozialdemokrat Thilo Sarrazin die Bemühungen schlicht ignoriert, aus seinen umstrittenen Buchthesen zu Einwanderung und Integration eine neue politische Gruppierung zu formen. "Schön wär's schon, wenn er ein paar schöne Worte für uns finden würde", sagt Stadtkewitz bedauernd.

So müssen sie mit René Stadtkewitz vorliebnehmen: 46 Jahre alt, in Ostberlin geboren, 1989 via Ungarn in den Westen geflohen und nach dem Fall der Mauer zurückgekehrt, Geschäftsführer einer Firma, die Alarmanlagen installiert, seit 2001 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, dort ein fleißiger, aber außerhalb seines Kiezes in Berlin-Pankow kaum bekannter Parlamentarier.

Bis er aus der CDU austrat und aus der CDU-Fraktion hinauskomplimentiert wurde, nachdem er den Populisten Geert Wilders nach Berlin eingeladen hatte. Dessen "Partei für die Freiheit" hatte mit ihrer radikal eifernden Gegnerschaft zum Islam weltweit Aufmerksamkeit erregt und in den Niederlanden jeden fünften Wähler für sich gewonnen.

Seit ein paar Wochen ist Stadtkewitz Vorsitzender der von ihm selbst gegründeten Partei "Die Freiheit". Deswegen ist er nach Gießen gefahren, wo 80 Anhänger aus ganz Hessen auf ihn warten. Sie wollen mitmachen in der neuen Partei, die sich "die Bewahrung unserer Kultur und Werte gegen den zunehmenden Einfluss des politischen Islam" und "einen Zuwanderungsstopp gegen Einwanderung in unser soziales Netz" ganz oben auf die Liste ihrer politischen Slogans geschrieben hat. Als rechts seiner alten CDU will Stadtkewitz seine Gründung aber nicht gestellt wissen: "Wir sind keine Rechtspartei, sondern eine Bürgerrechtspartei", ruft er in den Applaus seiner Anhänger hinein.

"Wir sind eine Bürgerrechtspartei"

Daheim in Berlin sind Demonstranten aus der linken Szene da, wo immer er seine Partei vorstellt. Erst neulich ist der erste Landesparteitag geplatzt, auf dem sich "Die Freiheit" rüsten wollte für ihre Teilnahme an der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst. Eine Sprachschule hatte ihm den angemieteten Raum kurzfristig gekündigt. Stadtkewitz und seine Leute standen auf der Straße, bedrängt von linken Protestierern.

Die Bilder, die es von dem Durcheinander gab, hätten seiner Partei 60 neue Aufnahmeanträge eingebracht, bilanziert Stadtkewitz später in der Kantine des Abgeordnetenhauses. Ein Händedruck von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kam noch dazu: "Sie wissen ja, was ich von Ihrer Partei halte, aber Ihren Parteitag sollten Sie schon abhalten dürfen." Auch andere Abgeordnete grüßen ihn. Als extremistischer Hitzkopf, der zu meiden wäre, gilt er den Parlamentskollegen nicht.

Kein Volkstribun

Tatsächlich eignet sich Stadtkewitz kaum zum Volkstribun. Gut, er kann reden mit seiner tiefen, radiotauglichen Stimme. Aber ist er deswegen schon "der deutsche Geert", wie ihn der Spiegel bezeichnet? Sein Idol Wilders fordert schon einmal forsch und verletzend ein Verbot des Koran, doch derart schrille wie schlagzeilenträchtige

Rene Stadtkewitz Announces New Political Party

Geert Wilders ist sein großes Vorbild. Doch "so krasse Sprüche" will René Stadtkewitz eher "nicht machen".

(Foto: Getty Images)

Provokation ist Stadtkewitz' Sache eher nicht: "Ich habe nicht vor, so krasse Sprüche zu machen." Doch auch ihn bewegt seit 2006 das eine Thema: der Islam. Stadtkewitz kam nach einer schweren persönlichen Krise - eines seiner Kinder war im Alter von nur drei Monaten gestorben - zurück in die Politik, da sollte eine Moschee gebaut werden in seinem Bezirk. Er setzte sich an die Spitze der Protestzüge. Seither, so sagt er, habe er viel gelesen und sei zu der Überzeugung gekommen, dass "der politische Islam eine Gefahr für unsere Werte ist".

"Bammel, dass die guten Leute wegbleiben"

Immer tiefer trieb es ihn in die Szene jener Leute, die in Internet-Foren, Gruppen und Grüppchen mit Namen wie "Pax Europa" gegen den Islam eifern. In seiner CDU stießen seine Islam-Ängste auf wenig Resonanz. Er verließ die Partei: "Ich hatte mit der Politik abgeschlossen." Aber dann hätten ihn "Fluten von E-Mails" ermuntert. Zusammen mit der Jugendrichterin und Bestsellerautorin Kirsten Heisig habe er den Aufbau einer neuen Partei geplant, sagt Stadtkewitz. Bekannte Heisigs bestreiten, dass sie, die sich im vergangenen Jahr das Leben nahm, mitmachen wollte.

So ist Stadtkewitz immer noch allein das Gesicht seines neuen Ladens. "Ich habe schon Bammel davor, dass die guten Leute wegbleiben", sagt er selbst. Aber Figuren, die sich rechtsaußen herumtreiben, will er nicht um sich haben. Wer je in vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen dabei war, darf der neuen Partei nicht beitreten, so sieht es die Satzung vor.

Auch dass "Die Freiheit" außerhalb Berlins Anhänger nur als Fördermitglieder - 1400 sollen es bundesweit sein - willkommen heißt, soll sie vor unerwünschten Mitstreitern schützen. Nach Gießen-Wieseck sind Leute gekommen, die Stadtkewitz' Vorstellungen eher entsprechen. "Wenn es Hetzerei gegen Ausländer geben sollte, bin ich sofort wieder draußen", sagt einer und erntet Beifall.

Als enttäuschte FDP-Wähler, ehemalige Christdemokraten, vor allem aber als langjährige Nichtwähler stellen sie sich vor: "Wir sind die Mitte", bezeichnet einer den Ort, an dem sie sein wollen. Von der Schweiz ist viel die Rede, von direkter Demokratie, Volksabstimmungen und davon, dass "die da oben nicht hören auf uns". Und der Islam? Hinterher erst, in kleinen Runden, tauschen sie sich aus: Ihr Sohn, raunt eine Frau empört, habe in der Grundschule zählen gelernt - "nicht auf Deutsch, auf Afghanisch!"

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