Anti-IS-Koalition:Vertrieben in die Wüste

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Es ist nur eine Frage der Zeit, bis irakische Einheiten die letzten Viertel Mossuls vom IS zurückerobert haben werden. (Foto: Ahmad al-Rubaye/AFP)

In Syrien und Libyen ist die Terrororganisation geschwächt, doch besiegt ist sie bei Weitem nicht. Nach Niederlagen gruppiert sich der IS in der schwer zugänglichen Wüste neu.

Von Paul-Anton Krüger

Das Kalifat bröckelt. Es ist eine Frage von Tagen oder Wochen, bis irakische Einheiten die letzten Viertel von Mossul von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zurückerobert haben werden. In Syrien ziehen die von den USA unterstützten kurdischen und arabischen Milizen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) den Ring um Raqqa enger, die Hauptstadt der Dschihadisten. In Libyen, einst wichtigste Hochburg des IS außerhalb seiner Kerngebiete, haben Milizen die IS-Kämpfer Ende 2016 aus Sirte vertrieben. Aber es brauchte dafür monatelange und verlustreiche Kämpfe und Hunderte US-Luftangriffe. Der militärische Druck zeigt Wirkung: Die ausländischen Kämpfer in Mossul leisten Widerstand bis zum Untergang, weil sie wissen, dass sie nicht entkommen können - und sie versuchen, Zivilisten mit in den Tod zu reißen. Im März etwa kamen 105 Menschen bei einem US-Luftschlag in Mossul ums Leben, weil der IS große Mengen Sprengstoff in einem Gebäude mit Zivilisten platziert hatte, wie das Pentagon nun mitteilte. In anderen Gebieten allerdings sehen westliche Geheimdienste durchaus Absetzbewegungen Richtung Europa, teils auch über Drittstaaten. Damit einher geht das Risiko neuer Anschläge durch IS-Rekruten mit direkter Anbindung an die Führung, militärischer Ausbildung oder Kenntnisse im Bombenbau. Im Falle des Attentäters von Manchester, Salman Abedi, gibt es laut der französischen Regierung Hinweise, dass er nach Syrien gereist sei. Auch vermuten die britischen Ermittler, dass er die Bombe nicht selbst gebaut hat. Aber der Anschlag ähnelt eher dem Muster von Paris und Brüssel denn der Attacke von Anis Amri auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin.

Nach einer Niederlage gruppieren sich die übrig gebliebenen IS-Kämpfer neu

Zwar werden Deserteure beim IS nach wie vor hingerichtet, es gebe aber durchaus Forderungen aus der IS-Führung stärker Ziele in westlichen und arabischen Staaten außerhalb der IS-Kerngebiete zu attackieren, heißt es. Auch beobachten die Dienste ein starkes Interesse des IS, neue Rekruten in diesen Ländern zu finden. Die Führungsstrukturen des IS sind deutlich geschwächt, erst am Donnerstag meldete das syrische Militär, der Kriegsminister des IS, bekannt unter dem Decknamen Abu Musab al-Masri, sei zusammen mit anderen hohen IS-Anführern bei einer Militäraktion bei Aleppo getötet worden. Auch die Kommunikationsfähigkeit der Spitzenkader, von denen die meisten im Euphrat-Tal zwischen der zentralsyrischen Stadt Deir al-Sour und der Grenze zum Irak vermutet werden, sei eingeschränkt.

In Libyen zeigt sich überdies, was laut Geheimdienstlern auch in Irak und Syrien zu erwarten ist, wenn es dort keine umfassenden politischen Friedenslösungen gibt: Nach einer militärischen Niederlage wie in Sirte gruppieren sich die übrig gebliebenen Kämpfer neu. Sie nutzen dabei die politische Instabilität und ziehen sich in die Wüstengebiete zurück, die von der Regierung nicht oder nur unvollständig kontrolliert werden. In Libyen sollen sich Hunderte Kämpfer zu neuen Zellen zusammengefunden haben, vor allem im Süden.

Dort gab es zuletzt immer wieder schwere Kämpfe zwischen Einheiten der verfeindeten Regierungen im Osten unter General Khalifa Haftar und Truppen, die mit der Einheitsregierung von Premier Fayyez Serraj in Tripolis verbündet sind. Als sicher gilt, dass in der Hauptstadt Schläferzellen des IS existieren. Die Behörden dort beschuldigen den Bruder des Manchester-Attentäters, Haschem Abedi, er habe einen Anschlag geplant.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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