Anti-Homosexuellen-Gesetz in Nigeria:Zehn Jahre Gefängnis fürs Händchenhalten

Anti-Homosexuellen-Gesetz in Nigeria: Homosexuelle haben in vielen Regionen Afrikas mit Repressionen zu kämpfen. Im Bild: Zwei schwule Männer, die ihr Heimatland verlassen mussten, während eines Interviews in der kenianischen Hauptstadt Nairobi

Homosexuelle haben in vielen Regionen Afrikas mit Repressionen zu kämpfen. Im Bild: Zwei schwule Männer, die ihr Heimatland verlassen mussten, während eines Interviews in der kenianischen Hauptstadt Nairobi

(Foto: AFP)

Ein neues Gesetz kriminalisiert Homosexualität in Nigeria noch stärker als bislang. Unterstützt wird die Regierung dabei von der großen Mehrheit im Land. Doch hilft die öffentliche Entrüstung westlicher Staaten den afrikanischen Aktivisten?

Von Johannes Kuhn

Von einer solchen Zustimmung träumt jede Regierung: 92 Prozent aller Nigerianer unterstützen das Anti-Homosexuellen-Gesetz, das Präsident Goodluck Jonathan jetzt unterzeichnet hat. Wer könnte also etwas dagegen haben, wenn ein Staatsoberhaupt den eindeutigen Willen des Volkes umsetzt?

Die Antwort lautet: Menschenrechtsaktivisten, westliche Regierungen und all diejenigen, die sich für die Rechte Homosexueller weltweit einsetzen. Das Gesetz verschärft nämlich die ohnehin bereits starke staatliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Liebe in Nigeria.

Die wichtigsten Punkte:

  • Menschen, die sich "direkt oder indirekt" als homosexuell zu erkennen geben, drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis.
  • Ebenfalls eine zehnjährige Freiheitsstrafe riskiert, wer "Gay Clubs" betreibt oder sich in Vereinen und Nichtregierungsorganisationen für die Rechte Homosexueller engagiert.
  • Wer eine gleichgeschlechtliche Ehe eingeht (zum Beispiel im Ausland), muss mit 14 Jahren Haft rechnen.

Aktivisten warnen bereits seit längerem vor den Folgen für Homosexuelle in dem westafrikanischen Land, die ohnehin ihre sexuelle Präferenz meist verbergen. Rahidi Williams, Direktor der "Nigeria's Queer Alliance", erklärte der Deutschen Welle vor einiger Zeit in einem Interview, das Gesetz nehme Homosexuellen "die in der nigerianischen Verfassung festgelegten Grundrechte". Erpressungsversuche würden zunehmen, da Arbeitgeber künftig ihre Mitarbeiter aufgrund sexueller Orientierung entlassen könnten.

Das nigerianische Parlament hatte das Gesetz bereits im Mai vergangenen Jahres verabschiedet. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International hatten den Präsidenten von der Unterzeichnung abbringen wollen, auch aus den westlichen Industrienationen gab es Berichten zufolge Druck.

Sollte der Westen öffentlich Druck ausüben?

Das diplomatische Echo ist entsprechend laut: US-Außenminister John Kerry sagte, er sei "sehr besorgt" über das Gesetz, das "die Versammlungsfreiheit und (...) das Recht auf Meinungsfreiheit aller Nigerianer gefährlich einschränkt". Großbritannien, einst Kolonialmacht im Land, erklärte ebenfalls seine Ablehnung.

Nigeria profitiert allerdings vom Ölexport und ist entsprechend unabhängiger von Hilfsgeldern als andere Staaten in der Region. Zudem gilt der Großteil der 170 Millionen Einwohner, die etwa je zur Hälfte Christen und Muslime sind, als äußerst konservativ.

Einer Umfrage des PEW Research Centers zufolge sind 98 Prozent der Nigerianer der Meinung, dass die Gesellschaft Homosexualität nicht akzeptieren sollte. Das ist der höchste Wert aller untersuchten Länder. Ähnliche Ergebnisse verzeichnete PEW auch in anderen Ländern der Region.

Überschaubare Erfolge im Kampf gegen politische Homophobie

Die medienwirksame Kritik westlicher Regierungen ist deshalb selbst bei einigen afrikanischen Aktivisten umstritten. Jüngst bilanzierte eine Gruppe während eines Besuchs in den USA, dass die öffentliche Kritik letztlich nur dazu führe, dass in der einheimischen Bevölkerung der Eindruck eines "Neo-Kolonialismus" entstehe. Diplomatischer Druck hinter den Kulissen sei wirksamer.

Nigeria ist nicht das einzige Land, in dem die Situation Homosexueller prekär ist: Das Parlament in Uganda unterzeichnete nach langem Ringen im vergangenen Jahr ein Gesetz, das homosexuelle "Wiederholungstäter" mit lebenslanger Haft bestraft.

In Malawi, wo Präsidentin Joyce Banda 2012 die Gesetze zur Kriminalisierung Homosexueller aussetzte, ist das Thema weiterhin umstritten. Vor den Wahlen im Mai versuchen zahlreiche Präsidentschaftskandidaten mit dem Versprechen zu punkten, die Bevölkerung in einem Referendum über die Haltung zur Homosexualität abstimmen zu lassen.

Und die Stimmung in Nigeria? In den sozialen Medien ist scharfe Kritik an der Verurteilung des Westens zu lesen - auch wenn mancher darauf hinweist, dass der umstrittene Präsident Goodluck Jonathan damit vor allem ein Ziel erreicht: von der immer lauter werdenden Kritik an seiner Regierung abzulenken.

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