Anti-Diskriminierung:Pflichterfüllung oder Übereifer?

Erfüllt Berlin mit dem Antidiskriminierungsgesetz nur die Vorgaben der EU - oder schießt die Koalition weit über die Vorgaben aus Brüssel hinaus? Die Knackpunkte der rot-grünen Gesetzesvorlage.

Umfassender Schutz auch im Zivilrecht: Die EU-Vorgaben schreiben den Schutz vor Diskriminierung für acht Merkmale fest. Verboten sind demnach Benachteiligungen wegen der Rasse, der Ethnie, der sexuellen Identität, des Alters, der Weltanschauung, der Religion, einer Behinderung und des Geschlechts. All dies bezieht sich gemäß der EU-Vorschrift aber nur auf das Arbeitsrecht.

Deutschland will die Schutzvorschriften dem bisherigen Entwurf zufolge auf das Zivilrecht ausdehnen; beispielsweise auf den Abschluss von Mietverträgen oder den Eintritt in Diskotheken.

Zwar gelten - in Übereinstimmung mit EU-Recht - auch hier Benachteiligungsverbote; sie beziehen sich aber nur auf die Kriterien ethnische Herkunft und Geschlecht. Verbände hatten kritisiert, dass demnach ein dunkelhäutiger Diskobesucher nicht mehr an der Tür abgewiesen werden dürfte, ein Rollstuhlfahrer aber sehr wohl.

Der Diskriminierungsschutz soll aber auch im zivilrechtlichen Bereich nur für so genannte Massengeschäfte sowie Versicherungen gelten. Einzelne private Entscheidungen wären somit ausgenommen.

Beweisumkehr: Die Wirtschaft beklagt sich, dass künftig die Arbeitgeber beweisen müssten, nicht diskriminiert zu haben, was so in der EU-Richtlinie nicht vorgesehen sei. Die Unternehmen müssten deshalb sämtliche Unterlagen aufbewahren und Entscheidungen noch Jahre später dokumentieren können.

Die Befürworter verweisen dagegen darauf, dass dieses Prinzip der rechtlichen Tradition in der EU entspreche. Außerdem müsse ein potenzieller Kläger zunächst einmal ein Gericht von seiner Beschwerde überzeugen. Erst dann müsse der Arbeitgeber Belege zu seiner Entlastung vorweisen.

Haftung für Dritte: Ein Unternehmen muss womöglich auch für Benachteiligungen beispielsweise von Ausländern oder Frauen durch Angestellte oder Vertragspartner geradestehen. So ausdrücklich steht das nicht in den EU-Vorgaben. Es leitet sich nach Ansicht einiger Experten aber klar aus einer EU-Richtlinie gegen Belästigung ab.

Allerdings ist der Arbeitgeber zunächst verpflichtet, gegen die Belästigung - beispielsweise eines dunkelhäutigen Kunden durch eine Kassiererin - vorzugehen. Nur wenn er untätig bleibt, drohen ihm Strafen.

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