Gewalt bei Castor-Protest:Entgleisung im Wendland

Die elf Castor-Waggons nähern sich dem Endlager Gorleben, die Krawalle nehmen zu: Die Polizei greift hart gegen Demonstranten und "Schotterer" durch, beide Seiten werfen sich Gewalt vor. Aus dem Anti-Atom-Karneval wird eine Schlacht im Wald.

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Je näher der Castor dem Endlager Gorleben kommt, desto chaotischer wird die Situation: Die Polizeiz greift hart gegen Demonstranten durch, beide Seiten werfen sich gegenseitig Gewalt vor. Aus dem Anti-Atom-Karneval wird eine Schlacht im Wald. Die Atomkraftgegner haben Zehntausende mobilisiert. Als sie am Sonntag an mehreren Stellen das Gleisbett im Wendland stürmen wollen, kommt es zu schweren Zusammenstößen. Ein Polizist hält in Harlingen im Landkreis Lüchow-Dannenberg sein Reizgassprühgerät bereit, um Atomkraftgegner an einer Gleisblockade auf der Transportstrecke des Castor-Zuges zu hindern.

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Ein Polizist durchtrennt in Dalle bei Eschede mit einer Flex ein Eisenbahngleis, um ein Rohr zu entfernen, mit dem sich Gegner des Castor-Transportes unter den Schienen aneinander befestigt hatten. Nach der Aktion wurde die Schiene wieder provisorisch befestigt, so dass der Zug weiterfahren konnte.

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Elf Behälter mit hoch radioaktivem Müll aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in der französischen Anlage La Hague bringt der zwölfte Castor-Transport in das Zwischenlager Gorleben: Zehn Behaelter vom deutschen Typ Castor HAW28M und ein Behälter vom franzoesischen Typ TN 28.

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(Foto: dapd)

Etwa 50 Traktoren haben in einer Traktorkolonne die Zugangsstraßen nach Gorleben blockiert - die Polizei will die Protestaktion baldmöglich auflösen.

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(Foto: dapd)

Je näher der Zug dem Zwischenlager kommt, desto mehr spitzt sich die Lage zu: Tausende haben sich zur Sitzblockade auf der Zufahrtstraße nach Gorleben versammelt - auch die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Claudia Roth.

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(Foto: dapd)

Die Ausschreitungen zwischen Polizei sind in Harlingen im Landkreis Lüchow-Dannenberg ausgeartet: Eine durch den Tritt eines Polizeipferdes verletzte Teilnehmerin wird von Rettungssanitätern versorgt ...

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... und auch in Leitstade setzte die Polizei Schlagstöcke und Reizgas ein, um die Demonstranten vom Gleisbett fernzuhalten. Ein Sprecher der Aktivisten wirft den Beamten "unverhältnismäßigen Gewalteinsatz" vor.

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(Foto: AP)

Im Gänsemarsch die Gleise entlang: 16.500 Polizisten sichern den radioaktiven Castor-Transport.

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Doch auch die Demonstranten wurden laut Polizeiangaben zu gewalttätig: Sie sollen "mit Stangen, Leuchtmunition und Reizstoffen" angegriffen und ein Räumfahrzeug in Brand gesetzt haben.

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(Foto: dpa)

Auch in der Nacht zum Sonntag wurde protestiert - allerdings friedlicher: Ein Demonstrant spielt vor dem Kasseler Bahnhof Wilhelmshöhe Trompete, durch den in der Nacht der Castor-Transport fahren sollte.

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Für die medienwirksamsten Aktionen ist wie gewohnt Greenpeace zuständig: Drei Aktivisten der Umweltorganisation haben sich an die Kinzig-Brücke in Kehl nahe der deutsch-französischen Grenze gehängt.

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Rumhängen gegen Atomkraft: Auch von einer Brücke in der Nähe des hessischen Ortes Morschen seilten sich zwei Greenpeace-Mitglieder ab. Der Castor-Zug musste etwa eine Stunde und vierzig Minuten stehen bleiben, dann fuhr er im Schritttempo unter den beiden durch.

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(Foto: dapd)

Eine Demonstrantin hat sich als "Atom-Pinocchio" verkleidet. Atomkraftgegner werfen der Bundesregierung Wortbruch vor - und dass sie bei der Laufzeitberlängerung vor der Nuklearlobby eingeknickt ist.

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(Foto: dpa)

Mit weißem Schutzanzug und rostigem Atommüllfass protestiert ein Atomkraftgegner am Samstag in Dannenberg gegen den Castor-Transport. Der zwölfte Atommülltransport aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague hat am Samstagsnachmittag bei Kehl die deutsch-französische Grenze überquert. Hier wurde die Lok ausgetauscht und die Polizeimannschaften ausgewechselt. Wann die beginnt, war zunächst noch unklar.

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(Foto: dapd/Martin Storz/Greenpeace)

Der Zug war über Kehl umgeleitet worden, nachdem sich in Lauterburg (Lauterbourg) in Frankreich, nahe der deutschen Grenze bei Berg, Greenpeace-Aktivisten an die Bahngleise gekettet hatten und hunderte friedliche Demonstranten eine Sitzblockade auf den Gleisen veranstaltet hatten.

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(Foto: dapd)

Doch der Widerstand gegen die Atompolitik der Bundesregierung hat viele Gesichter: Nie zuvor sind so viele Menschen aus allen Teilen Deutschlands ins beschauliche Wendland gereist wie an diesem Samstag. Insgesamt zählen die Veranstalter bis zum Nachmittag 50.000 Demonstranten, die Polizei dagegen nur etwas mehr als 20.000. Der Protest bleibt zunächst weitestgehend friedlich - nur am Ende der Veranstaltung kommt es zu gewaltigen Zusammenstößen.

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(Foto: dapd)

Junge und Alte, Normalos und Prominente wie die Moderatorin und Buchautorin Charlotte Roche, sie alle demonstrieren Seite an Seite gegen den Castor-Transport.

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(Foto: dapd)

Hunderte Gegner des umstrittenen Bahnhofs-Projekts Stuttgart 21 sind zum Anti-Castor-Protest ins Wendland gekommen. Sie revanchieren sich damit für den Besuch von Castor-Gegnern in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. "Solidarität aus Stuttgart! Rote Karte für Atomkraft", stand auf einem Plakat, das der 18 Jahre alte Tobias Schwarz trägt. "Es geht heute darum zu zeigen, dass wir an der Seite der Menschen hier stehen und ihren Protest unterstützen", sagte er.

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(Foto: dapd)

Beistand von höchster Instanz: Auch der Weihnachtsmann würde sich nach Auffassung der Atomkraftgegner über ein Weihnachten ohne Atomstrom freuen. In Dannenberg soll die hoch radioaktive Fracht am Sonntag oder Montag in LKW umgeladen und die letzten 20 Kilometer in das Zwischenlager Gorleben transportiert werden.

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(Foto: dapd)

Doch ganz unbeschattet von Gewalt verläuft der Tag nicht: Am Rande der Demonstration in Dannenberg gegen den Castor-Transport hatten etwa 150 Demonstranten versucht, die mögliche Transportstrecke zu unterhöhlen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die Aktion zu verhindern.

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(Foto: dpa)

Alles im Blick: Aus einem Hubschrauber kontrollieren Bundespolizeibeamte die Bahnstrecke über Dannenberg.

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(Foto: dapd)

Die als Atommüllfass verkleidete zwölfjaehrige Clara hält ein Schild mit der Aufschrift "Keiner will mich!". Auf der Weste ihres Begleiter prangt die wiederauferstandene Atomsonne aus den achtziger Jahren. "Der heutige breite Protest zehntausender Menschen zeigt: Die Bevölkerung duldet keine Klientelpolitik für Atomkonzerne auf Kosten ihrer Sicherheit", sagten die Veranstalter.

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(Foto: dapd)

In Daunenjacken und mit Pudelmützen harren die Demonstranten zum Teil den ganzen Tag in Dannenberg an der Elbe aus. Die Veranstaltung hat sich in so etwas wie eine große, bunte Party verwandelt - mit Hüpfburg, Teestation und Kuchenstand. 

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(Foto: dpa)

Im Sitzen wollten sie den Castor-Zug aufhalten: Unter den wachsamen Blicken der Beamten im Hintergund blockierten Atomkraftgegner im südpfälzischen Berg am Samstagnachmittag die Gleise, über die die Waggons mit atomarem Abfall Richtung Gorleben rollen sollen. Der Widerstand auf vier Buchstaben...

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... wurde zwar von der Polizei aufgelöst, die Demonstranten verbuchen das dennoch als Erfolg. Schließlich haben sie einen Sieg davongetragen: Der Castor-Transport rollt in diesem Jahr erstmals seit langem nicht durch Berg/Pfalz.

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Dieser musikalisch begabte Demonstrant kann derweil noch mehr oder weniger bequem auf den Gleisen sitzen. Er ist einer von...

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(Foto: AFP)

... Zehntausenden, die an diesem Wochenende im Wendland gegen die Rückführung von 123 Tonnen Atommüll nach Deutschland protestieren.

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Doch nicht nur Zweibeiner sagen "Atomkraft? Nein danke" - es formiert sich auch tierischer Widerstand.

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Die politische Führungsriege macht - zumindest in der Atomfrage - aus der Bundesrepublik eine Bananenrepublik. So sehen das offenbar zumindest diese vier maskierten Atomkraftgegner.

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"Angela sorgt für den Beschiss", steht in Anspielung auf die Atompolitik der Kanzlerin auf einem Plakat an dieser Toilette. Es sei "unverschämt, Niedersachsen zum Atomklo der Bundesrepublik zu machen", meint...

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... auch Gregor Gysi. Folgerichtig setzte sich der Fraktionsvorsitzende der Linken dann auch persönlich hinters Steuer und beteiligte sich an einem Traktorkonvoi gegen den Castor-Transport.

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Die Traktoren blockieren in Splietau in der Nähe von Dannenberg eine Straßenkreuzung und die Bundesstraße 191.

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(Foto: dapd)

Grün ist das Sweatshirt, gelb der Anti-Atom-Aufdruck - und müde die Mienen: Noch etwas verschlafen sitzt die Grünen-Spitze am Samstagmorgen am Frühstückstisch in einem Gasthof nahe des atomaren Endlagers Gorleben. Wie sich das für die Parteiprogrammatik gehört, sind die Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth ins Wendland gereist, um persönlich an der Groß-Demo im niedersächsischen Dannenberg gegen den Castor-Transport teilzunehmen. Während die Polit-Prominenz erst langsam in Protestlaune kommt, wurde...

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... andernorts bereits am Freitagabend demonstriert: In Lüneburg versammelten sich die Menschen zu einem Laternenlauf gegen den bevorstehenden Castor-Transport. Eine friedliche Aktion - doch...

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... es wird befürchtet, dass der Widerstand auch gewalttätig werden könnten. "Wir gehen davon aus, dass einige hundert gewaltbereite Autonome die Castor-Proteste für ihre Zwecke missbrauchen wollen", sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel der Neuen Osnabrücker Zeitung. Über 16.000 Polizisten aus fast allen Bundesländern sind deshalb zum Schutz des Castor-Transports und zur Überwachung der Proteste abgestellt.

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Aufwind hat die Anti-Atom-Bewegung auch durch die Entscheidung der Bundesregierung bekommen, die Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern. Die Kernkraftgegner kommentieren diesen Entschluss plakativ.

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Der Ausstieg vom Atomaustieg bedeutet für die Kernkraftgegner die Rückkehr zu einer bedrohlichen und angesichts erneuerbarer Energien veralteten Stromquelle. In einem Zeltcamp von Atomkraftgegner in Dannenberg, dem inoffiziellen Zentrum des Widerstands, erleuchtet deshalb ein Tyrannosaurus Rex den Abendhimmel. Den Rumpf des furchterregenden Dinos haben die Anti-Atom-Aktivisten aus den charakteristischen gelben Fässern der Protestbewegung gefertigt.

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Mehr als 100 Tonnen Atommüll aus Deutschland, der im französischen La Hague aufbereitet wurde, gingen am Freitagabend von Nordfrankreich aus auf die Reise zurück nach Deutschland. Ziel der elf Waggons: Gorleben in Niedersachsen. Dort...

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(Foto: dpa)

... soll der strahlende Abfall (hier Bilder einer Infrarotkamera, aufgenommen im Verladebahnhof Valognes) zwischengelagert werden. Ob sich der Salzstock Gorleben als Endlager eignet, will die schwarz-gelbe Koalition erneut prüfen lassen.

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Während die niedersächsische Polizei in der Vorbereitung auf das Protest-Wochenende Gullydeckel zuschweißte, ...

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(Foto: dapd)

... war diese Anti-Atom-Aktivistin offenbar nochmal bei der Maniküre - und bekennt nun Nagelfarbe.

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Ansteckender Protest: Die rote Sonne in Verbindung mit dem Slogan "Atomkraft? Nein danke", in den achtziger Jahren zum Symbol der Anti-Atom-Bewegung geworden, ist aktuell wieder hoch im Kurs - und schmückt die Demonstranten.

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Grüne und Bürgerinitiativen verfolgten seit drei Jahrzehnten eine Strategie des fantasievollen gewaltfreien Widerstands, lobte der Grünen-Bundestagsfraktionschef und ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin vor den Massenprotesten im Wendland. Ein Beispiel des kreativen Aufbegehrens ist dieser "Ehrenfriedhof für Bundestagsabgeordnete nach dem Supergau" in Klein Gusborn nahe Gorleben.

© sueddeutsche.de/dpa/dapd/Reuters/AFP/jobr/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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